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Aus dem Staub der Sterne

Von Christian Hoffmann

Raumfahrt

Wie hat das alles eigentlich angefangen? - Bei der Frage nach dem Anfang handelt es sich um eine der ältesten Fragen der Menschheit. Und als wahrscheinlich gilt heute, dass am Anfang ein großer Knall stand.


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Mit dem Nachdenken ist das so eine Sache: Lässt man sich einmal darauf ein, steckt man auf kurz oder lang in Schwierigkeiten. So haben sich alle bekannten Kulturen irgendwann mit der Frage nach dem Anfang der Welt beschäftigt.

Solange man sich dabei auf eine Religion verlässt, kommt man ja noch relativ leicht zu einer Antwort: Der christlich-jüdische Jahwe zum Beispiel hat sich sechs Tage lang abgemüht, und danach war die Welt, wie wir sie kennen, fertig. Basta. Das kann man glauben oder auch nicht (wobei man seinerzeit im zweiten Fall ein Ende auf einem Scheiterhaufen einkalkulieren musste).

So haben sich zum Beispiel im Jahr 1215 in Rom etwa 1200 römisch-christliche Geistliche aller Rangstufen zu einem Konzil in Rom versammelt, bei dem unter anderem amtlich das Dogma der "Creatio ex nihilo" festgelegt wurde. Demzufolge hat Gott die Welt, wie im biblischen Text dargelegt, aus dem Nichts geschaffen und über Jahrhunderte hinweg war es eine beliebte Disziplin unter christlichen Gelehrten, das genaue Datum dieses Ereignisses zu errechnen. James Ussher (1581-1656), seines Zeichens anglikanischer Bischof, ermittelte zum Beispiel in dieser ehrwürdigen Tradition den 23. Oktober des Jahres 4004 vor Christus als das exakte Datum des Anfangs aller Anfänge.

Nun wäre es ja an und für sich sehr bequem gewesen, das alles einfach zu glauben, hätte es nicht die Naturwissenschaften und deren widersetzliche Befunde gegeben. Spätestens die Beobachtungen von Charles Darwin, die die Entwicklung der Pflanzen und Tiere nicht mehr mit den Frachtkapazitäten der Arche Noah erklärten, sondern mit einem langwierigen Prozess der Evolution, sprengten alle theologisch verordneten Zeitrahmen. Dazu kam die Entwicklung der Teleskope, die zu überraschenden Entdeckungen im Weltall führten, merkwürdigen Lichtflecken, die darauf hindeuteten, dass es da draußen noch mehr Galaxien geben könnte, als bisher angenommen.

Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war es dann merkwürdiger Weise dann doch wieder ein christlicher Gelehrter, nämlich der Jesuit Georges Lemaître (1894-1966), der ausgehend von Einsteins Relativitätstheorie und aktuellen Einsichten in die Struktur von Atomen die Idee formulierte, dass das Universum keineswegs ewig existiert haben kann, sondern dass am Anfang eine Art riesiger Gasexplosion gestanden haben müsste. Viele Beobachtungen der späteren Jahre präzisierten diese Idee. Im Jahr 1929 entdeckte Edwin Hubble mit Hilfe eines neuartigen Teleskops bei der Beobachtung ferner Galaxien eine Verschiebung von Spektrallinien, aus der es nur den Schluss geben konnte, dass diese Welten in Bewegung waren und in Kombination mit den Erkenntnissen der Relativitätstheorie offensichtlich der Weltraum selbst expandierte. Inzwischen gibt es jede Menge weiterer Indizien zu diesem Vorfall vor 13,7 Milliarden Jahren, mit dem alles angefangen hat. Im Jahr 1964 empfingen die Physiker Arno A. Penzias, der übrigens 1939 als Kind aus Deutschland hatte fliehen müssen, und Robert W. Wilson über die empfindliche Antenne der Bells Laboratories in New Jersey ein seltsames Rauschen. Da dieses Rauschen immer noch zu hören war, auch nachdem sie sorgsam allen Taubenmist von der Antenne geputzt hatten, wurden sie stutzig und suchten ein ganzes Jahr lang nach der Ursache des Geräusches. Für das, was sie schließlich entdeckten, bekamen sie im Jahr 1978 den Nobelpreis: Bei dem vermeintlichen Krawall handelte es sich um kosmische Hintergrundstrahlung, die heutzutage als Folge des Urknalls verstanden wird.

Darüber hinaus bestätigen weitere Beobachtungen die Theorie vom Urknall, vor allem die messbare Zusammensetzung der Materie. So überwiegen leichte Elemente wie Wasserstoff und Helium, die ganz am Anfang der kosmischen Entwicklung gestanden haben müssen, während die schwereren Elemente, die später entstanden sind und so etwas wie den menschlichen Körper möglich gemacht haben, deutlich seltener zu finden sind. Sie entstammen der späteren Verfestigung von Materie in Sternen, eine Erkenntnis, die Ernesto Cardenal in dem Buch "Gesänge des Universums" zu dem Bild anregte, dass die Menschen Kinder der Sonne seien und den Staub der Sterne in sich trügen.

Neben den vielen Details, die man mittlerweile über den Urknall und die darauffolgenden etwas mehr als 13 Milliarden Jahre weiß, bleibt ein kleines Ärgernis. Würde man nämlich konsequent die Expansion des Universums zurückrechnen, käme man unweigerlich bei einem Punkt ohne Ausdehnung an, einem Zustand, der Anfangssingularität genannt wird und mit dem niemand so recht etwas anfangen kann. Deswegen grübelt derzeit eine neue Generation von Physikern, etwa der 36-jährige Deutsche Martin Bojowald, an Lösungen für dieses Problem, das einen Zeitraum von ungefähr 10-43 Sekunden nach dem Urknall betrifft. Ihre Ansätze führen zu einem Modell, das Schleifenquantengravitation genannt wird. Aber damit fängt bereits eine neue Geschichte an...

BUCHTIPP:

Hans-Joachim Blome, Harald Zaun: Der Urknall. Verlag C.H. Beck, München 2004. 128 Seiten.