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Aus den Spitälern in die Praxen

Von Brigitte Pechar

Politik

Weniger Spitalsaufenthalte zugunsten von Gruppenpraxen und Tageskliniken.


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Wien. Der Gesundheitsreform, die im April im Nationalrat beschlossen wurde, wird nach und nach Leben eingehaucht. Wichtig an der Reform ist, dass die Ausgabenprogression für das Gesundheitssystem bis 2016 um 3,43 Milliarden gedämpft wird. Dennoch wird nicht weniger, sondern mehr Geld ins System fließen - der Kostenanstieg ist an das Wirtschaftswachstum geknüpft. Wichtigste Neuerung ist, dass es eine gemeinsame Planung geben wird. Bisher war die Sozialversicherung für die niedergelassenen Ärzte zuständig, die Länder im Wesentlichen für die Spitäler. Häufig wurden Patienten hin und her verschoben, um Kosten auf den jeweils anderen abzuwälzen.

Das Was wird vorgegeben, das Wie bestimmen Länder

Das soll jetzt anders sein. Der Hausarzt soll eine zentrale Rolle im System erhalten, Gruppenpraxen und Tageskliniken sollen ausgebaut werden, um damit Spitäler zu entlasten. Bund, Länder und Sozialversicherung haben sich auf einen "Zielsteuerungsvertrag" verständigt. In diesem wird grob vorgegeben, welche Schritte dann auf Landesebene zur Qualitätsverbesserung und Kostendämpfung unternommen werden müssen. Zentral wird also vorgegeben, was zu tun ist, wie das umgesetzt wird, bestimmen die Länder mit der jeweiligen Sozialversicherung.

Im Wesentlichen geht es darum, die Angebote von Spitälern und Ärzten besser aufeinander abzustimmen. Die Gesundheitsversorgung ist derzeit sehr auf Spitäler zentriert. In 267 Krankenhäusern gibt es 64.300 Betten, 52.200 davon sind Akutbetten. Österreich lag im Jahr 2007 mit einer Krankenhaushäufigkeit von rund 28 Aufenthalten pro 100 Einwohner im europäischen Vergleich an der Spitze. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug 5,7 Tage (EU-15-Durchschnitt: 6,1 Tage). Die Zahl der Spitalsaufenthalte soll jedenfalls verringert werden.

Es geht darum, Akutbetten und Spitalsambulanzen zurückzufahren und dezentrale Strukturen zu stärken. Bisher ist das nicht gelungen, weil das Geld nicht der Leistung folgte. Wenn also zusätzlich Gruppenpraxen entstanden sind, um Spitalsambulanzen zu entlasten, wurden die Mittel nicht von den Ambulanzen zu den Praxen geleitet, sondern das Geld ist bei den Spitälern verblieben, die Gruppenpraxen waren extra zu finanzieren.

Mindestens zwei Gruppenpraxen pro Land

Der Zielsteuerungsvertrag, der am Mittwoch präsentiert wurde, legt nun gewisse Bedingungen vor, die zu erfüllen sind - Sanktionen für den Fall, dass das nicht gelingt, sind nicht vorgesehen. So wird beispielsweise vorgegeben, dass pro Bundesland mindestens zwei Gruppenpraxen zusätzlich etabliert werden müssen. Wo diese dann errichtet werden beziehungsweise ob es sich dabei etwa um interdisziplinäre Versorgungseinrichtungen handeln soll, wird erst auf Landesebene ausverhandelt. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) sagte daher: "Die entscheidende Stunde schlägt in der Stunde der Umsetzung." Und diese liege bei den Ländern. Dass die von der Idee her große Reform nicht von heute auf morgen alles ändern wird, machte Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, sie war für die SPÖ im Verhandlungsteam, klar: "2014 wird nicht alles anders sein." Aber es werde der Paradigmenwechsel rasch sichtbar werden.

Dieser ergebe sich eben aus der zentralen, gemeinsamen Planung. Damit rücke der Patient wieder in den Mittelpunkt, wie Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) versicherte. Aus den Solisten im Gesundheitssystem entstehe nun ein Orchester, fasste Pühringer den Beschluss in ein Bild.

Das neue System soll den Patienten jedenfalls Verbesserungen bringen, etwa durch den bis 2015 geplanten Aufbau einer telefonischen oder webbasierten Erstberatung. Im Alltag würde das so aussehen, dass sich ein Erkrankter an diese neue Stelle mit der Frage wenden könnte, ob sich ein Facharzt, ein Spital oder doch besser ein praktischer Arzt seines Problems annehmen sollte. Von Vorteil sollte auch sein, dass künftig in Spitälern und im niedergelassenen Bereich eine einheitliche Dokumentation etabliert werden muss. Die Leistung kann somit problemlos dort erfolgen, wo sie gerade am sinnvollsten ist.