Zum Hauptinhalt springen

Aus "deutschem Sang" wird Kanon

Von Michael Schmölzer, Dobersberg/Slavonice

Europaarchiv

Das nördliche Waldviertel und Südböhmen versuchen erst seit kurzem, im Tourismusbereich zu einer verstärkten Kooperation zu gelangen. Bei einem grenzübergreifenden Treffen in der Gemeinde Dobersberg wurde über Möglichkeiten und Versäumnisse in diesem Bereich diskutiert.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Treu unser Herz, Frei unser Wort, Deutsch unser Sang, Gott unser Hort."

Das Motto des "Dobersberger Männergesangsvereins" aus dem Gründungsjahr 1880 wird auch heute noch, schön gerahmt, im Musikerheim der kleinen Gemeinde unweit der tschechischen Grenze zur Schau gestellt. Das, was diesen Mittwoch dort zu hören war, hätte den sangesfrohen Mannen von anno dazumal aber mit Sicherheit wenig behagt: Deutsches Liedgut war nicht angesagt, vielmehr wurde mehr oder weniger gekonnt Tschechisch parliert: Anlässlich eines "Regionaltages" gaben sich tschechische und österreichische Gemeindepolitiker, Fremdenverkehrsexperten und Mitarbeiter verschiedenster überregionaler Projekte ein Stelldichein.

Thema des vom Dobersberger "Grenzüberschreitenden Impulszentrum" (GIZ) angeregten Treffens war der Ausbau des überregionalen Fremdenverkehrs zwischen der Tourismusregion Thayaland und dem südböhmischen Raum. Dabei fielen die Worte "Zusammenarbeiten, Erweitern, Anbinden und Übergänge schaffen" weitaus am häufigsten.

Gemeinsamkeiten gibt es

Eine grenzübergreifende Kooperation im Fremdenverkehr scheint vor allem aus einem Grund viel versprechend, wie Tourismus-Experte Ewald Bussek der "Wiener Zeitung" erläutert: "Beide Regionen, diesseits wie jenseits der österreichisch-tschechischen Grenze, haben eigentlich nichts Spektakuläres im engeren Sinn zu bieten. Was es gibt, ist unberührte Landschaft und historische Baudenkmäler." Weshalb Bussek auch voll auf "Ökotourismus" setzt. Seine Zielgruppe ist über 30 Jahre alt, gut verdienend, mehr an Erholung als an turbulenten "Touristen-Mekkas" interessiert. Und darüber hinaus bereit, Preise "im mittleren Segment" zu berappen. Bussek hofft dabei vor allem mit Kundschaft aus den Ballungszentren Wien, Prag, Brünn und Salzburg.

Es gibt noch weitere Gemeinsamkeiten zwischen dem Thayaland und den Gegebenheiten im tschechischen Verwaltungsbezirk Jindrichuv Hradec: Beide Regionen sind touristisch relativ "unterentwickel"t. Das gilt unverständlicher Weise auch für die tschechische Grenzgemeinde Slavonice. Denn trotz einer äußerst sehenswerten Altstadt mit vielen, unter Denkmalschutz stehenden Kulturdenkmälern, haben die Österreicher den Ort noch kaum entdeckt: Die interessierten Besucher bestehen zu "50 Prozent aus Nicht-Österreichern, vor allem Deutschen und Holländern", schätzt Dobersbergs engagierter Fremdenführer, Konrad Wettstein.

Vereinheitlichte Strukturen

Pavel Hlozek, der das EU-Programm "Euregio Silva Nortica" koordiniert, liefert Hinweise darauf, wie eine künftige Zusammenarbeit im Tourismusbereich aussehen könnte: Ziel sei es, Touristen "anzuziehen und auch zu halten". Ein Weg dahin wäre eine Vereinheitlichung der Strukturen auf beiden Seiten der Staatsgrenze. So ist für das Jahr 2004 eine gemeinsame Info-Broschüre über touristische Angebote, Motto: "Tipps für Tagesausflüge", geplant. Weiters könnten Radwege miteinander verbunden und zusätzliche Grenzübergänge zur Erleichterung des wechselseitigen Touristenverkehrs geschaffen werden.

In den Kinderschuhen

Eine österreichisch-tschechische Arbeitsgruppe im Rahmen des Euregio-Programms hat sich bereits gebildet und ist diese Woche das erste Mal zusammengekommen: "Für weit reichende Beschlüsse war es aber noch zu früh", resümiert Hlozek.

Die überregionale Kooperation zwischen Tschechien und Österreich steckt in der Tat noch in den Kinderschuhen. Neben "Widerstand von Seiten diverser staatlicher Behörden" (Hlozek) haben die Organisatoren auch mit Anlaufproblemen im administrativen Bereich zu kämpfen. Dennoch soll es ähnliche Treffen in Zukunft regelmäßig geben, so ein allseits geäußerter Wunsch.