Die Beratungsstelle Undok kämpft gegen Sozialbetrug. Die Sozialministerin könnte das Projekt stoppen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Irgendwann war das Problem zu groß, um es nicht mehr zu sehen; war die Zahl der Fälle von Ausbeutung von Arbeitnehmern ohne Papiere zu hoch; und vor allem: waren die Auswirkungen von ausbeuterischen Praktiken auch dort zu spüren, wo sich alle an die Gesetze hielten. Denn wenn es sich nicht bloß um ein paar Einzelfälle handelt, können solche Praktiken in einer ganzen Branche zu Wettbewerbsverzerrungen und Lohndumping führen.
Offenbar war der Druck auch innerhalb von drei Teilgewerkschaften - Bau-Holz, vida (Dienstleistung) und Pro-Ge (Produktion, Industrie) - im Jahr 2014 zu groß geworden. Schon einige Jahre lang hatten sich einige Initiativen und kleine NGOs jenen angenommen, die Ausbeutung erlebten. An Gewerkschaften konnten sich diese Menschen nicht wenden. Und an Behörden freilich noch weniger, da es ihnen bisweilen nicht nur an einer Arbeitserlaubnis, sondern auch an einem Aufenthaltstitel mangelte. Das ist heute nicht anders, nur ist alles noch viel komplizierter geworden.
Vor vier Jahren wurde aus diesem Grund Undok gegründet, um eine Lücke zu schließen. Der ÖGB stellt dem kleinen Team seither Räumlichkeiten zur Verfügung, die Personalkosten werden fast zur Gänze vom Sozialministerium gedeckt, das jedes Jahr 130.000 Euro überwies. Das könnte sich nun ändern. Ende Mai läuft die Förderung aus. Wird sie von der nunmehrigen Ressortverantwortlichen Beate Hartinger-Klein (FPÖ) nicht verlängert, würde dies wohl das Aus für Undok bedeuten. Entschieden sei noch nichts, heißt es aus dem Ministerium, die Angelegenheit werde geprüft. Die Zeit drängt jedoch, denn wenn bis Ende Mai keine Entscheidung fällt, wäre es trotzdem eine. Dann müsste allen fünf Mitarbeitern gekündigt werden.
FPÖ kritisierte vor vier Jahren Installierung von Undok
Damals, 2014, als die Anlaufstelle installiert wurde, war die FPÖ jedenfalls keine Befürworterin dieser Einrichtung. Und das ist höflicher formuliert, als es der freiheitliche Abgeordnete Christian Hafenecker damals in einer Aussendung tat. Hafenecker, der nun zum Generalsekretär der Freiheitlichen aufgestiegen ist, ortete bei der ÖGB-Spitze einen "starken Alkoholmissbrauch" und empfahl ihnen, sich in "medizinische Behandlung zu begeben". Sie würden Mitgliedsbeiträge dafür verwenden, um "ausländische Dumping-Arbeitskräfte zu beraten", diese seien vielmehr ein Fall für die Justiz. So schrieb es der FPÖ-Abgeordnete.
Dass das Budget auch schon zu jener Zeit mehr oder weniger zur Gänze vom Ministerium kam, nicht vom ÖGB, tat aus Sicht der FPÖ offenbar nichts zur Sache. Interessant ist aber vor allem, dass die FPÖ - damals zumindest - die negativen Auswirkungen von Lohndumping für österreichische Arbeitnehmer und die Wettbewerbsnachteile für heimische Betriebe nicht in ihre Überlegungen miteinbezog.
"Es passt leider ins Bild dieser Regierung, dass ihr Sozialbetrug nicht wichtig ist", sagt Josef Muchitsch, Chef der Bau-Holz-Gewerkschaft und Abgeordneter der SPÖ. "Sie würde ja sonst auch nicht die Strafen herabsetzen. Ich hoffe aber noch, dass die FPÖ für Fairness auf dem Arbeitsmarkt eintritt", sagt Muchitsch. Er will das Gespräch mit Ministerin Hartinger-Klein in der Nationalratssitzung am Mittwoch suchen.
Ein zweiter Punkt ist, dass arbeitsrechtliche Vorschriften auch für Schwarzarbeiter gelten. Es ist genauso verboten, einer nicht angemeldeten Arbeitskraft den Lohn vorzuenthalten, wie einer Person mit Arbeitsbewilligung. Undok hat in den vergangenen Jahren Menschen geholfen, ihr Recht durchzusetzen. Mehr als 500 undokumentierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren seit 2014 dort vorstellig.
Wie etliche Fallbeispiele zeigen, ist das von der FPÖ einst gezeichnete Bild von "ausländischen Dumping-Arbeitskräften" so auch nicht aufrechtzuerhalten. Es gibt mittlerweile 28 verschiedene Aufenthaltstitel, an die unterschiedliche Zugänge zum Arbeitsmarkt geknüpft sind.
So dürfen beispielsweise Studierende aus dem Ausland (Nicht-EU) zehn Wochenstunden nebenbei arbeiten, während des Mastersstudiums sind es dann 20 Wochenstunden.
Undok schildert einen konkreten Fall eines iranischen Studenten, der bei einer Restaurantkette arbeitete, um sich Studium und Leben in Wien zu finanzieren. Die Beschäftigungsbewilligung für Ausländer muss allerdings generell immer vom Arbeitgeber beim Arbeitsmarktservice (AMS) beantragt werden. Obwohl dem Studenten versichert worden war, dass dies geschehen sei, hatte sein Arbeitgeber eine Meldung unterlassen. Somit war der angehende Landschaftsarchitekt ohne sein Wissen illegal beschäftigt.
Arbeitsbewilligung kann nur Arbeitgeber beantragen
Aufgefallen ist dies erst, als der Iraner den Job wechseln und seiner Ausbildung gemäß eine Stelle in einem Architekturbüro annehmen wollte. Das AMS hatte ihn aber plötzlich gesperrt, da er mehrfach ohne Beschäftigungsbewilligung gearbeitet hatte. Die Erklärung: Die Restaurantkette hatte trotz seiner Nachfrage keine Erlaubnis beantragt und ihn noch dazu tagweise bei der Sozialversicherung an- und wieder abgemeldet. Deshalb zählte jeder Arbeitstag als eigenes Beschäftigungsverhältnis.
Die Sperre bedeutet, dass er nicht arbeiten kann, sich das Studium so nicht mehr leisten kann und dieses womöglich abbrechen muss. Und das, obwohl er legal hier studierte und Österreich auch in seine Ausbildung investierte.
Dass bei Undok jene Fälle vielleicht überrepräsentiert sind, in denen nicht das Klischeebild des illegalen Schwarzhacklers bedient wird, hat mit dem prekären Status vieler Arbeitnehmer zu tun, die Ausbeutung erlitten haben. Daher bietet die Stelle auch eine anonyme, mehrsprachige Beratung an, deren Ergebnis auch oft nur ein Schreiben an den Arbeitgeber ist. Wenn sich ein tatsächlich "Undokumentierter" entscheidet, sein Recht vor Gericht durchzusetzen, kann er nicht mehr anonym bleiben. Illegalen droht dann die Ausweisung, weshalb viele darauf verzichten, auf ihren Ansprüchen zu beharren.
Genau das ist aber ein nicht unwesentlicher Faktor. Da es eine deutliche Zunahme von Menschen mit prekären oder fehlenden Aufenthaltstiteln und/oder eingeschränktem Arbeitsmarktzugang gibt, ist es naheliegend, dass sich die Zahlen von nicht korrekter Anmeldung sowie Ausbeutung erhöhen. Es gibt mehr Asylwerber, mehr ausländische Studierende und auch mehr EU-Ausländer. Selbst diese haben nicht immer und automatisch einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang.
Laut Lohnsteuerstatistik hat der Bruttolohn von ganzjährig Vollzeitbeschäftigten in der Gastronomie sowie in der Baubranche seit 2008 ein vergleichsweise geringes Wachstum erfahren. Es könnte ein Hinweis auf negative Langzeitfolgen von Lohndumping in diesen Branchen sein, auch wenn hier Vorsicht geboten ist. Es wirken viele Faktoren auf die Entwicklung des Durchschnittslohns.
Was aber jedenfalls Realität ist: Aus diesen beiden Branchen sowie auch aus der Landwirtschaft kommen die meisten Beschwerden bei Undok.