Zum Hauptinhalt springen

"Aus" für Mifegyne

Von Christa Karas

Wissen

Der Vertrieb der Abtreibungspille Mifegyne wird in Österreich mit Ende des Jahres eingestellt. Die Firma Femagen Österreich gibt nach knapp einem Jahr ihre Lizenz an den französischen Patentinhaber zurück, so Geschäftsführer Ulrich Sekotill. Dem Medikament waren von Anfang an enorme politische, weltanschauliche und dementsprechend auch gesetzliche Hürden in Österreich entgegen gestanden, so dass der ursprüngliche Hersteller über Jahre hindurch darauf verzichtet hatte, die Zulassung dafür zu beantragen. Auch der zuletzt zustande gekommene "Kompromiss" erwies sich als derart restriktiv, dass Mifegyne - abgesehen vom Krankenhaus Korneuburg - praktisch unter Ausschluss der betroffenen Öffentlichkeit blieb.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Mifegyne ist ein Krankenhausprodukt, und wird nur im Krankenhaus Korneuburg eingesetzt", so Sekotill. "Und solange die Pille bestimmten Frauen vorbehalten bleibt und nicht allen zugänglich gemacht wird, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für das Produkt nicht passen, hat es keinen Sinn." Bis jetzt seien erst ein paar Hundert Packungen von Mifegyne verkauft worden, so Sekotill. "Wir haben mit ein bisschen mehr gerechnet."

Christian Fiala, Mediziner am Krankenhaus Korneuburg, sieht die Vertriebseinstellung als "gesundheitspolitischen und frauenpolitischen Skandal". "Das unsichere Medikament Viagra wird schnell eingeführt und die sicherere Mifegyne unterliegt solchen gesetzlichen Restriktionen", so der Arzt. Denn das Medikament werde nur in Korneuburg eingesetzt. "Die niedergelassenen praktischen und Fachärzte dürfen zwar eine Abtreibung vornehmen, Mifegyne dürfen sie aber nicht verabreichen. Besonders Frauen in den westlichen Bundesländern haben zu der Abtreibungspille keinen Zugang", so Fiala.

Hilfe für Frauen

In Korneuburg werde jetzt eine größere Menge an Mifegyne angekauft, so Fiala. "Und dann werden wir einen Antrag an das Gesundheitsministerium stellen, um eine Einfuhrgenehmigung aus Frankreich zu erhalten. Wir haben in Österreich rund 40.000 bis 60.000 Abtreibungen." Die Abtreibungspille wird von der Pariser Firma Exelgyn hergestellt.

Das Beratungstelefon Krankenhaus Korneuburg für Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft ist von Montag bis Freitag von 9.00 bis 13.00 unter der Telefonnummer 02262/780263 besetzt.

Politikum

Auch für die frühere Frauenministerin und jetzige SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Barbara Prammer ist die Einstellung von Mifegyne "ein frauenpolitischer Skandal". Es sei eine Tatsache, dass ein abschlägiger Bescheid des Gesundheitsstaatssekretärs Reinhart Waneck dazu geführt habe, dass Mifegyne vom Markt genommen wird, so Prammer.

"In meinen Augen handelt es sich eindeutig um einen weiteren Versuch zur Aushebelung der Fristenregelung", erklärte Prammer. Und: Die Firma habe sich zuvor um die Verabreichung des Präparats nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch bei niedergelassenen Ärzten, die zu Schwangerschaftsabbrüchen berechtigt sind, bemüht. Das Ansuchen sei von Staatssekretär Waneck abgewiesen worden.

Prammers Hauptkritik richtet sich dagegen, dass "der Zugang zu einem besonders schonenden Präparat bewusst unterbunden wurde". Dahinter stecke offenbar der Wunsch, dass Frauen die Entscheidung zum Abbruch möglichst schwer gemacht werden soll. Andererseits würden gesundheitlich wesentlich bedenklichere Substanzen, wie etwa Hormonpräparate zur Förderung der Fruchtbarkeit, problemlos zugänglich sein. Ihr Fazit: "Der Schwangerschaftsabbruch, flächendeckend in ganz Österreich, ist dagegen immer noch nicht möglich".

Gegenargumente

Reinhart Waneck (F) meinte dagegen: "Die Entscheidung, die Abtreibungspille Mifegyne nur zur Anwendung im Krankenanstaltenbereich zuzulassen, stammt noch aus der Zeit der alten SPÖ-Regierung." Und: Es sei der damals zuständigen SPÖ-Ministerin Lore Hostasch frei gestanden, die Zulassung auch auf den niedergelassenen Bereich auszudehnen. "Offenbar hat auch sie schwerwiegende Gründe gehabt, eben dies nicht zu tun".

Und Waneck weiter: "Besonders der hohe Betreuungsaufwand im Zusammenhang mit der Anwendung des Produktes und das Fehlen der Voraussetzungen für die gefahrlose, sichere und Gesetzes konforme Durchführung des Schwangerschaftsabbruches mit Mifegyne in einer durchschnittlichen gynäkologischen Ordination, waren ausschlaggebend für die Nichtzulassung im niedergelassenen Bereich."

Was freilich so nicht ganz stimmt: Hostasch' "schwerwiegende Gründe" bestanden nämlich in der gegebenen Rücksichtnahme auf den Koalitionspartner, da es zu jenem Zeitpunkt eben keine "alte SPÖ-Regierung" gab und die ÖVP unter weltanschaulichen Gesichtspunkten und dem Druck katholischer Gruppen entschiedene Vorbehalte gegen Mifegyne anmeldete.

Doch davon abgesehen, ist auch das Argument des "hohen Betreuungsaufwandes im Zusammenhang mit der Anwendung des Produktes" nicht nachvollziehbar: Mifegyne verhindert lediglich das Einnisten eines befruchteten Eis mit den einer etwas stärkeren Regelblutung vergleichbaren Folgen. Und wird deshalb in manchen anderen Ländern direkt aus den Apotheken an die Anwenderinnen abgegeben. Ganz einfach.