Kommende Woche fallen die Obergrenzen für Produzenten.
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Brüssel. Drei Jahrzehnte lang hat sie die Arbeit der Bauern begleitet. Nun sind ihre Tage gezählt. Am Dienstag läuft die Milchquote in der Europäischen Union aus. Eingeführt zu Zeiten, als von "Milchseen" und "Butterbergen" die Rede war, sollte die Maßnahme einen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage schaffen. Durch Obergrenzen für die Produktion sollten die Preise und damit gleichzeitig das Einkommen der Landwirte gesichert werden. Wer aber die Quote überschritt, musste Strafe zahlen. In Österreich waren das im Vorjahr immerhin geschätzte rund 45 Millionen Euro.
Doch möchte die EU das System derartiger Subventionen stark beschränken. Marktorientiert soll nun die Milchwirtschaft sein. Dazu habe sie auch die Voraussetzungen, findet Agrarkommissar Phil Hogan. "Die Lage ist heute ganz anders als vor dreißig Jahren", erklärte der Ire: "Wir sind heute wettbewerbsfähig zu Weltmarktpreisen."
Auf andere Gebiete als die EU müssen sich die Bauern denn auch künftig konzentrieren, wenn sie ihre Produktion steigern wollen. Denn in Europa ist der Milchkonsum nach Angaben der Kommission stabil. Doch die globale Nachfrage nach Milchprodukten steige, etwa in Asien oder Afrika.
Die österreichische Milchwirtschaft verzeichnete im Vorjahr einen Rekordwert bei den Ausfuhren. Fast die Hälfte der Milch und der daraus gewonnenen Produkte wurden exportiert, teilte die Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter vor kurzem mit. Der Wert der Waren lag bei knapp 1,2 Milliarden Euro. Trotz der ebenfalls gestiegenen Importe gab es einen positiven Außenhandelssaldo in Höhe von knapp 450 Millionen Euro.
Sorge um Kleinbauern
Das Auslaufen der Milchquote sieht der Interessensverband nicht als großes Problem an, da dieses Szenario seit langem bekannt sei. Darauf wies auch der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus der EU vor einigen Tagen hin. "Wir weinen der Milchquote nicht nach", erklärte er. Allerdings müsse es für Berggebiete und benachteiligte Regionen Begleitmaßnahmen geben.
Die Sorge, dass Kleinbauern und Landwirte, die in schwierigen Gebieten arbeiten, nicht konkurrenzfähig und so ihre Betriebe gefährdet sind, gibt es nicht nur in Österreich. Auch in Polen, Italien oder Frankreich werden solche Befürchtungen geäußert. Die Kommission hält dem entgegen, dass die Mitgliedstaaten noch immer Möglichkeiten haben, Hilfe zu leisten. Dabei nennt sie etwa Direktzahlungen oder Unterstützung im Rahmen des Programms für ländliche Entwicklung.
Alle Bedenken kann die Brüsseler Behörde damit aber nicht beseitigen. Denn auch wenn manche Verbände ebenfalls auf das neue - bisher von der Quote gedrosselte - Exportpotenzial der Europäer verweisen, orten andere Gefahren in einer höheren Abhängigkeit vom Weltmarkt. So warnt etwa die europäische Vereinigung EMB vor Preisstürzen und den Defiziten eines Systems ohne Instrumente zur Krisenvermeidung. Während die Produzenten wieder mit Überschüssen zu kämpfen haben werden, werden Lebensmittel-Großkonzerne dominieren.
Was dies für die Konsumenten bedeutet, ist umstritten. Der deutsche Milchindustrie-Verband etwa rechnet mit höheren Milchpreisen für Verbraucher in den kommenden Monaten. Die Kommission hingegen glaubt nicht an unmittelbare Auswirkungen: Nicht immer habe nämlich ein Anstieg oder Fall der Preise für Produzenten dazu geführt, dass Milch im Geschäftsregal dementsprechend teurer oder billiger wurde.