"Das war nicht unser Senat!", wehrt sich der Herr vom hohen Gerichtshof. Und weiter: "Ich halte das eigentlich für eine Einzelentscheidung". Der Richterspruch löst sogar im Finanzministerium Erstaunen aus. Es geht wieder einmal um die steuerliche Behandlung von Reisen; konkret um die Verrechnung betrieblicher Reisekosten im Wege der pauschalen Tages- und Nächtigungsgelder.
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Ein soeben bekannt gewordenes Judikat*) des Verwaltungsgerichtshofes führt zu einem für die Praxis brisanten Ergebnis: Schluss mit den pauschalen Reisekostensätzen bei den Selbständigen. Die Nomenklatur des Einkommensteuerrechts kennt drei Reisebegriffe: Dienstreisen der Arbeitnehmer, sonstige berufliche Reisen und betrieblich veranlasste Reisen der Selbständigen. In allen drei Reisebereichen war und ist es bisher aus Vereinfachungsgründen üblich (und von der Verwaltung akzeptiert), die amtlich festgesetzten Diätensätze als steuerfreie Reisevergütungen, als absetzbare Werbungskosten oder - im Bereich der betrieb-lichen Gewinnermittlung - als absetzbare Betriebsausgaben anzuerkennen. Voraussetzung ist natürlich die Reise; mit deren Nachweis konnten auch die Reisepauschalien verrechnet werden.
Diese pauschalen Tages- und Nächtigungsgeld-Sätze sind ihrem Sinn nach dafür vorgesehen, die mit jeder reisemäßigen Entfernung vom Wohn- oder Betriebsort verbundenen Mehraufwendungen abzudecken. Daher werden sie im Regelfall auch nur zeitlich beschränkt: üblicherweise für 5 oder 15 Tage. Jedenfalls nur so lange, bis sich der Reisende am Zielort über die preisgünstigsten Verpflegs- und Unterkunftsmöglichkeiten informieren und solcherart Mehrkosten gegenüber den gewohnten häuslichen Usancen vermeiden konnte. Das vom Höchstgericht nun aufgerührte Problem geht zurück auf die Gesetzwerdung des Einkommensteuergesetzes 1988, genauer: auf die Formulierungen in dessen Paragraph 4 Abs. 5. Dort wird die steuerliche Absetzbarkeit von betrieblichen Reiseausgaben der Selbständigen festgeschrieben. Für die bei diesen Reisen entstehenden Mehraufwendungen wird die Absetzung (höchstens) der amtlichen Tages- und/Nächtigungsgelder zugelassen, wie sie eben auch für Dienstreisen oder für sonstige berufliche Reisen gelten: derzeit bis 26,40 Euro für den Inlandsreisetag und bis 15 Euro pro Nächtigung. Für Auslandsreisen gibt es besondere Sätze.
Auch der Vorgängerparagraph aus dem Vorgänger-EStG 1972 bot sinngemäß die gleiche Aussage wie jene aus 1988. Mit einem Unterschied: Die Pauschalreise-Höchstsätze wurden ohne Nachweis der Höhe der tatsächlichen Reisekosten als Betriebsausgaben zugelassen; es war offenbar glaubhaft, dass eine Reise ohne Mehraufwendungen eben nicht abgeht. In der Neufassung des § 4/5 fehlen die zwei kleinen Worte "ohne Nachweis" - aus Gründen, die heute nicht mehr nachvollziehbar sind. In den Erläuterungen zur damaligen Regierungsvorlage gibt es keinen Hinweis, warum man diese beiden Worte herausgestrichen hat. Dagegen liest man dort die klare Aussage: "Die gesetzlich vorgegebenen Pauschalsätze sind immer anzuwenden, somit auch dann, wenn die tatsächlichen Aufwendungen nachgewiesen werden." Also stets und zwingend anzuwenden, offenbar. Urteilt der VwGH jetzt gegen die Gesetzgeberabsicht?
Der Steuerprüfer im Salzburger Transportunternehmen las den Gesetzestext aus 1988, verlangte vom Betriebsinhaber den Nachweis der Reiseaufwendungen (hier: für die geltend gemachten Nächtigungen), konnte keinen solchen kriegen und verwies auf die zwei Worte, die es im Gesetzestext von 1988 nicht mehr gibt. Selbständige haben Betriebsausgaben nachzuweisen. Kein Einzelnachweis der Reisekosten, keine Pauschaldiäten, keine Betriebsausgaben! Eine betriebliche Reise, die nicht steuerabsetzbar ist.
Dazu das Verwaltungsgericht bestätigend: "Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren Mehraufwendungen für Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG nicht nachgewiesen. Solcherart entspricht es dem Gesetz, dass die belangte Behörde Aufwendungen dieser Art nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt hat."
Die neue Rechtsprechung richtet sich nicht gegen Diäten bei Dienstreisen und bei sonstigen beruflichen Reisen. Sie richtet sich nur gegen die betrieblich veranlassten Reisen der Selbstständigen, die nun gezwungen werden, jeder Diäten-Abrechnung (nicht nur für die Nächtigung, sondern auch für Verpflegung) gleich eine tatsächliche Reisekostenabrechnung beizulegen. Übrigens ohne die Sicherheit, dass diese vom nächsten Steuerprüfer in dieser Form anerkannt wird. Die amtlichen Diätensätze dienen nurmehr der Höhenbegrenzung. Man muss zwar zugeben, dass diese Rechtsprechung in ihrer apodiktischen Form gesetzeskonform ist. Dass sie in der Praxis wenig Verständnis findet, ist auch klar. Noch gibt es zu dem Judikat eher verhaltene Kommentare. Man verweist darauf, dass das Höchstgericht in der Vergangenheit nicht immer nachvollziehbare Zickzackkurse gesteuert hat. Etwa mit dem Spruch, wonach für betriebliche Ein-Tages-Reisen (ohne Übernachtung) kein Tagesgeld zusteht, während für ein "Reisesprüngerl" von Wien nach Hollabrunn sehr wohl eines anerkannt wurde, vom gleichen Senat übrigens.
Die Finanz hat damals die abgelehnten Ein-Tage-Reisediäten als nicht zu beachtende Einzelfall-Entscheidung des Höchstgerichts abgetan und den Status quo proklamiert. Dies könnte man sich offenbar jetzt wieder vorstellen - so lange, bis der Gesetzgeber den Rechtszustand von 1972 herstellt und § 4/5 um zwei Worte erweitert: "ohne Nachweis".
VwGH Zl. 99/15/0085 v. 30.1.2003