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Aus für Sonderschule?

Von Petra Tempfer

Politik

Ministerium begrüßt Stufenplan der "Lebenshilfe" zur Schulreform. | Einheitliche Ausbildung der Lehrkräfte gefordert. | Umstellung ohne Mehrkosten. | Wien. Die Schule beginnt, die Tür ist zu. Nach der achten Schulstufe - ein Jahr vor Ende der Schulpflicht - haben Kinder mit Behinderung im derzeitigen Schulsystem kein Recht mehr auf einen gemeinsamen Unterricht in einer Integrationsklasse. "Sie werden wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen", klagt Germain Weber, Präsident des Vereins "Lebenshilfe Österreich".


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Auch die Sonderschule als weiterer Bildungsweg verstoße klar gegen die Menschenrechte und die UN-Behindertenrechtskonvention von 2008, nach der alle Kinder das Recht auf Unterricht in einer allgemeinen Schule haben. Derzeit besuchen rund 13.000, also die Hälfte aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, eine Sonderschule.

Aus diesem Grund forderte Weber am Donnerstag die Abschaffung der Sonderschulen in Österreich und legte zugleich einen Stufenplan bis 2016 zur Schulreform vor. Diese Forderung wird vom Unterrichtsministerium begrüßt, auf eine Umsetzung innerhalb von sechs Jahren will es sich aber nicht festlegen. "Eine schrittweise Weiterentwicklung von der Sonderschule zur flächendeckenden Integration ist jedenfalls vorstellbar", betont Sigrid Wilhelm, Sprecherin der Unterrichtsministerin Claudia Schmied, auf Anfrage der "Wiener Zeitung".

Schulversuche laufen

Derzeit würden die gesetzlichen Grundlagen für die Integration nach der achten Schulstufe erarbeitet, Gespräche mit Behindertenverbänden stünden auf dem Programm. Seit Jahren laufen Schulversuche zur weiterführenden Integration, wie etwa an jeder zweiten der 265 polytechnischen Hochschulen in Österreich. In jeder Integrationsklasse sitzen vier bis sechs Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, für die es einen zusätzlichen Pädagogen gibt.

Mit Beginn des neuen Schuljahres nächste Woche werden die einjährigen Schulversuche an Wirtschaftsfachschulen auf dreijährige berufsbildende mittlere Schulen ausgeweitet. Eine Einbeziehung der berufsbildenden höheren Schulen und AHS-Oberstufe ist laut Wilhelm geplant.

Im Stufenplan der "Lebenshilfe Österreich" werden jedoch tieferschürfende Veränderungen gefordert. Demnach sollen nicht nur 2011 die Sonderpädagogischen Zentren in Schulen für alle Kinder umgewandelt, sondern auch Schulassistenten zur Unterstützung der Lehrkräfte ausgebildet werden. Ab 2012 sollen die getrennten Ausbildungswege für Sonder- und Regelschulpädagogen zusammengelegt werden, was auch laut Ministerium vorstellbar ist. "Im Rahmen der Bildungsreform wird ja der Lehrberuf ganz neu beschrieben", so Wilhelm.

Geht es nach der "Lebenshilfe", sollen bis 2015 alle 325 Sonderschulen in "neue Schulen für alle" umgewandelt und in die 5800 Regelschulen integriert werden. Die Binnendifferenzierung (der Unterricht im Klassenverband nach unterschiedlichen Lehrplänen) soll Standard werden. Wunsch ist, dass ab 2016 alle der rund eine Million Schüler in eine solche "Inklusive Schule" gehen.

"Diese Umstellung wäre laut Studien mit keinen Mehrkosten verbunden", betont Bernhard Schmid, Generalsekretär der "Lebenshilfe Wien". Die derzeit rund 5800 Sonderschullehrer würden sich lediglich unter die 113.000 weiteren Lehrer mischen. Laut Pädagogin Christiane Pock-Rosei, die den Schulversuch "integrative Lernwerkstatt Brigittenau" mitbegründet hat, wird dadurch ein Unterricht möglich, der "zwar eine Herausforderung, aber auch eine immense soziale Bereicherung ist."