Abfallprodukt ist reich an Laktose, Bakterien setzen Energie frei. | Vorreiter war eine schottische Whiskyfabrik. | Stuttgart. Die Idee klingt zunächst etwas abwegig: aus Käse Energie gewinnen. Schließlich dient das Milchprodukt primär als Lebensmittel. Dass Käse jedoch mehr ist als geronnene Milch, zeigten unlängst griechische Wissenschafter auf. Den Forschern ist es gelungen, Abfallprodukte aus der Milcherzeugung für Brennstoffzellen nutzbar zu machen.
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In einem speziellen Verfahren konnten die Forscher aus tierischer Molke Energie gewinnen. Dabei machten sie sich eine besondere Eigenschaft des Stoffes zunutze: Das Abfallprodukt, das bei der Herstellung von Käse entsteht, ist reich an Laktose. Diese Zuckerform lässt Bakterien Energie erzeugen. "Es war uns möglich, Zellen mit bakteriellen Kulturen zu züchten, die den Milchzucker konsumieren und dabei Energie freisetzen", erklärt die Biochemikerin Georgia Antonopoulou von der Universität Patras in Griechenland. Der Kunstgriff: Die Energie, die bei diesem chemischen Zersetzungsprozess frei wird, kann den Zellkulturen abgerungen werden.
Eigentlich ist der organische Gehalt der Molke umweltschädlich. Viele Behörden erteilen den Fabriken strenge Auflagen im Umgang mit dem Abfallprodukt. Die Betriebe müssen die Molke oftmals auf eigene Kosten entsorgen. Und das kann richtig teuer werden. Bei einer Feta-Käserei fallen jedes Jahr rund 4000 Tonnen Molke an, schätzt Antonopoulou. Die Kosten für die Entsorgung betragen bisweilen mehrere Tausend Euro.
Die Entwicklung der Bio-Brennstoffzellen verspricht, dieses Beseitigungsproblem zu beheben. Auch Brauereien könnten von dem Modell profitieren. Denn beim Gärungsprozess von Alkohol entstehen Gase, die in komplexen Filtrationsanlagen abgeführt werden müssen und gleichermaßen zu Energie verwertet werden können. Vorreiter dieser Technik ist eine Whisky-Fabrik im schottischen Bruichladdich. Dort wandelt eine Anlage die bei der Destillation von Whisky entstehenden Gase in Strom um und speist diesen in das örtliche Energienetz ein. Das Magazin "Economist" lobte die Einrichtung und schwärmte vom "grünen Whisky".
Freilich folgt die Funktionsweise von Brennstoffzellen einem anderen Ablaufmuster. Bei den Biobrennstoffzellen wird katalytisches Material verwendet, das einen Brennstoff (zum Beispiel Wasserstoff) oxidiert und dabei einen Elektronenfluss zwischen den Elektroden freisetzt. Die Biozellen funktionieren nach dem selben Prinzip wie herkömmliche Brennstoffzellen - mit dem Unterschied, dass die chemischen Reaktionen von Bakterien ausgehen, die ohne Sauerstoff das Brennmaterial abbauen und dabei Elektrizität erzeugen.
Theoretisch funktioniert es mit jedem organischen Material
"Theoretisch müssten die Brennstoffzellen mit jedem organischen Material funktionieren", sagt Chris Melhuish, Direktor des Bristol Robotics Laboratory in Großbritannien. Die Briten experimentieren derzeit mit raffinierten Kraftstoffen, beispielsweise einem Stoff mit synthetisiertem Glukosezucker, womit die Brennstoffzellen effizienter arbeiten sollen. Und das Team um Antonopoulou testet, ob die Energieerzeugung auch auf Grundlage einer Mikrokultur aus Abwasseranlagen funktioniert.
Allerdings: Die Strommengen, die bei diesem Verfahren erzeugt werden, reichen gerade mal für die Nutzung eines Mobiltelefons. Um noch mehr Energie abzuschöpfen, versuchen die Forscher deshalb, die Oberflächen der Elektroden zu vergrößern. Das würde die Produktivität der Zellen deutlich erhöhen.
Das größte Problem ist jedoch, dass es bislang an zahlungskräftigen Investoren fehlt, die die Forschung weiter vorantreiben. Das Konzept der griechischen Wissenschafter verharrt noch im Entwicklungsstadium. Helfen könnten Subventionen wie im Falle Schottlands, wo die Regierung die Förderung innovativer Energiegewinnungsformen unterstützt.
Doch die staatliche Förderung weiterer Projekte erscheint bei der momentanen Haushaltslage in Athen mehr als fraglich. Durch das jüngste Sparpaket sind die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Griechenland weiter gesunken. Wie auch immer die Finanzierung voranschreitet - es werden wohl noch einige Jahre vergehen, bis die Technik wirklich ausgereift ist.