Van der Bellen geht mit Befunden gegen Krebsgerüchte vor - mit demokratiepolitischen Folgen.
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Wien. Der Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen ist also "kerngesund", wie der Krebsspezialist Christoph Zielinski bestätigte. Van der Bellens Wahlkampfteam hat die Befunde des Kandidaten am Mittwoch sogar der APA vorgelegt. Darin steht sinngemäß, dass Van der Bellen keinen Krebs hat, seine Lunge - trotzt Rauchens - sehr gut beinander ist und er auch sonst keine ernst zu nehmenden Gebrechen hat.
Grund für die Veröffentlichung waren hartnäckige Gerüchte, die auf rechten Blogs und FPÖ-nahen Seiten und Facebook-Profilen seit Wochen die Runde machen, Alexander Van der Bellen sei krebskrank und dement. "Das hat eine Grenze erreicht, wo wir sagen müssen: Bis hierher und nicht weiter", sagt Lothar Lockl, Wahlkampfleiter Van der Bellens. Neben den "böswilligen Gerüchten" erhalte der Präsidentschaftskandidat immer wieder Morddrohungen, auch gegen seine Familie, und Beschimpfungen weit unter der Gürtellinie.
Die Drohmails, Postings und sonstigen Diffamierungsversuche werden laut Lockl nun auch angezeigt und der Polizei übergeben. "Das muss man sich nicht mehr gefallen lassen."
Dass im Wahlkampf harte Geschütze aufgefahren werden und der eine oder andere Schmutzkübel geleert wird, ist nicht neu. Neu ist allerdings, zumindest hierzulande, dass man sich mit der Veröffentlichung der eigenen Krankenakte dagegen wehrt.
"Gerüchte im Internet sind die Königsdisziplin der Negativkampagnen", sagt der Politologe Peter Filzmaier. Wer genau diese wann und zu welchem Zweck gestreut hat, ist schwer bis gar nicht nachzuweisen. Ein paar heimischen Zeitungen zufolge soll das Krebsgerücht aus dem Umfeld eines FPÖ-Funktionärs stammen. Nachgewiesen ist das aber nicht.
Übrigens: Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte in vergangenen Wahlkämpfen mit Drogengerüchten zu kämpfen. Er wurde öffentlich aufgefordert, einen Haartest vorzulegen, was er auch tat.
Demokratiepolitisch bedenklich
"Schmutzkübelkampagnen sind am schwierigsten zu kontern", sagt Politikberater Thomas Hofer im Gespräch. Eigentlich gäbe es hier drei Möglichkeiten, damit umzugehen: ignorieren, dem Ganzen offensiv gegenübertreten oder genauso schmutzig zum Gegenangriff übergehen. "Ersteres ist gefährlich", weil man nie weiß, wie weite Kreise das Gerücht gezogen habe. Van der Bellens Team hat sich für zweiteres entschieden. "Es ist immer eine Gratwanderung", egal wofür man sich entscheide, so Hofer. Die schlechteste Strategie sei ein "lauwarmes Dazwischen", meint Filzmaier. Um weiter an den Gerüchten festzuhalten, müssten deren Urheber nun behaupten, dass "die Ärzte lügen". Überzeugen wird man Van-der-Bellen-Gegner und eingefleischte Hofer-Unterstützer damit freilich nicht. Laut Thomas Hofer führen solche Diffamierungsversuche aber oft zu Solidarisierungswellen unter den eigenen Unterstützern und bei unentschlossenen Wählern.
In den USA ist es schon lange üblich, dass Wahlkampfkandidaten ihre Krankenakte offenlegen, um die Wähler auch von ihrer körperlichen Eignung für ein politisches Amt zu überzeugen. Demokratiepolitisch bedenklich ist es dennoch - in erster Linie die Krankheitsgerüchte und in zweiter die volle Offenlegung. "Der Schritt wird als Transparenz verkauft, aber ich sehe das sehr skeptisch", erklärt Politikberater Hofer. Das könnte künftig den Druck auf wahlkämpfende Politiker erhöhen, ebenfalls mit medizinischen Befunden an die Öffentlichkeit zu gehen.
Das gilt auch für jene, die im Amt sind und an einer schweren Krankheit leiden. Nicht jeder wolle dann zwangsläufig damit an die Öffentlichkeit. "Auch Politiker haben ein Recht auf Privatsphäre. Nicht jeder tut sich leicht damit", sagt Hofer.