Kurz will einheitlichen Arbeitnehmerbegriff schaffen. Eine Betrachtung.
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Wien. Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten: Seit einem guten Jahrhundert prägt sie das österreichische Arbeitsrecht. Geht es nach ÖVP-Obmann und Außenminister Sebastian Kurz, soll sich das nun ändern.
Laut einem Bericht der "Kronen Zeitung", die am Montag Details aus dem ÖVP-Wirtschaftsprogramm präsentierte, will Kurz einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff schaffen. Die Unterscheidung sei ein Anachronismus, den man überwinden müsse, so Kurz. Die "Wiener Zeitung" befragte dazu den Arbeitsrechtler Martin Risak, Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien.
Welche Unterschiede gibt es denn heute noch?
"Massive Unterschiede" gibt es laut Risak bei den Kündigungsfristen. Bei den Arbeitern beträgt sie grundsätzlich zwei Wochen. Dabei handelt es sich um eine dispositive Regelung: Durch einen Kollektivvertrag kann die Frist noch verkürzt werden. "In der Praxis gibt es bei den Arbeitern extrem kurze Kündigungsfristen", so Risak. Bei den Angestellten beträgt die Frist hingegen sechs Wochen.
Unterschiede existieren ebenso bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, den Entlassungs- und Austrittsgründen und dem Zugang zur Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension. Generell sind Angestellte meist gegenüber Arbeitern privilegiert.
Auch gibt es für die beiden Gruppen weiterhin eigene Betriebsräte und Gewerkschaften. "Aufgrund der unterschiedlichen Gewerkschaften haben wir auch eine ziemlich unterschiedliche Kollektivvertragskultur bei den Arbeitern und Angestellten", sagt Risak. Eine gesetzliche Angleichung werde daher noch nicht alle Unterschiede beseitigen. Generell gebe es aber keine großartigen Unterscheidungen mehr - und man könne sich fragen, warum man diese weiterhin aufrechterhalte: "Auf einer rein rechtlichen Ebene ist das verhältnismäßig schwierig zu argumentieren."
Warum wird überhaupt unterschieden?
Die Angestellten seien jene, die im Büro arbeiten, während die Arbeiter "hackeln", sagt Risak. Historisch habe man diese Unterscheidung auch ganz gut begründen können. "Die Angestellten waren typischerweise christlich-sozial, die Arbeiter eher kommunistisch-sozialistisch eingestellt. Man hat aufgepasst, dass die einen nicht unter die Räder der anderen kommen."
Heute halte das aber kein Mensch mehr für zeitgemäß. Allerdings dürfe man die Machtverhältnisse und Identitäten, die sich jahrzehntelang auf die Zweiteilung bezogen hätten, nicht unterschätzen. Es handle sich um mehr als nur rechtlich-technische Fragen. "Eine Angleichung nach oben ist für einen Angestellten, der sich bisher privilegiert gefühlt hat, etwas, was ihm seinen besonderen Status nimmt." Das dürfe man nicht unterschätzen.
Welche Vor- und Nachteile hat eine Angleichung?
Das kommt darauf an, wie die Angleichung vorgenommen wird und ob man sie aus der Perspektive der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer betrachtet. "Man könnte die Angestelltenprivilegien abschaffen oder eine Angleichung nach oben für die Arbeiter vornehmen", erklärt Risak. Die Wirtschaft werde wohl eine kostenneutrale Angleichung oder dergleichen befürworten. "Wenn die ÖVP das will, wird sie die Wirtschaft auf die eine oder andere Art bedienen müssen."
Was sagt der Gewerkschaftsbund dazu?
Jahrelang fordere man bereits eine Angleichung von Arbeitern und Angestellten und die Beseitigung aller Unterschiede, heißt es vom Österreichischen Gewerkschaftsbund ÖGB.
Es brauche einheitliche Regeln für alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis auf privatrechtlichem Vertrag beruhe. Gleichzeitig müsse es jedoch weiterhin getrennte Betriebsräte geben - um die Qualität der Mitbestimmung in den Betrieben aufrechtzuerhalten, argumentiert der ÖGB.