)
Von einem Ansturm auf Österreichs Universitäten ist derzeit die Rede; im Wissenschaftsministerium scheint man sich primär zu überlegen, wie man diesen beschränken kann. "Kein System der Welt kann so einen Anstieg spontan verkraften", tönte es vom Minister, und als Lösung fällt ihm dafür die Wiedereinführung der Studiengebühren ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Dabei ist das Betreuungsverhältnis an Österreichs Universitäten nicht erst seit dem jüngsten Anstieg an Studierendenzahlen eine Katastrophe. Seminare, also Lehrveranstaltungen, an denen Studierende auch referieren und diskutieren lernen sollen und die vor zehn Jahren noch höchstens 15 bis 20 Studenten besuchten, werden seit einigen Jahren mit 50 bis 80 Teilnehmern abgehalten. Darunter leiden nicht nur die Studenten, deren Studium damit an Qualität verloren hat, sondern auch jene Lehrenden, die damit mehr Arbeit für das gleiche Geld leisten müssen.
Am untersten Ende der Lehrendenhierarchie der Universitäten befinden sich jene, die mittlerweile in vielen Fächern den Löwenanteil der Lehre leisten: Lektoren. Auch mit dem neuen Kollektivvertrag verdienen sie für einen zweistündigen Lehrauftrag, der mit guter Vor- und Nachbereitung sechs bis zehn Wochenstunden Arbeit bedeutet, gerade einmal knapp mehr als die Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 357,74 Euro brutto im Monat. Sie erhalten nur Verträge über jeweils ein Semester. Ihnen stehen weder Arbeitsplätze an der Uni noch Unterstützungen für wissenschaftliche Konferenzen oder Übersetzungen zur Verfügung, obwohl die Universitäten ihre in Heimarbeit entstandenen wissenschaftlichen Arbeiten sehr wohl in deren Leistungsbilanzen schreiben.
Trotzdem bieten viele von ihnen seit Jahren hochqualifizierte Lehre, die Ergebnisse der außeruniversitären Forschung in die Lehre einbringt. Und viele wären auch bereit, mehr zu lehren, wenn sie dafür eine längerfristige Perspektive erhielten. Damit ist die Umwandlung in sogenannte "senior lecturers" gemeint, die mit 13 bis 16 Wochenstunden Lehre keine Zeit mehr zum Forschen haben, was das Ende der universitären Lehre als forschungsgeleitete Lehre bedeuten würde.
Was wir Lektoren wollen, sind längerfristige Verträge, eine realistische Bezahlung unserer tatsächlichen Arbeitsstunden, eine adäquate Infrastruktur an den Universitäten und eine Abgeltung der durch die Lehre entstehenden Kosten. Sind Universitäten und Wissenschaftsministerium bereit, das zu bezahlen, kann selbstverständlich auch der derzeitige Anstieg an Studierenden bewältigt werden.
Österreich hat immer noch eine der niedrigsten Akademikerquoten Europas. Wenn in die Zukunft investiert werden soll, muss in die Bildung und Wissenschaft investiert und nicht überlegt werden, wie man möglichst hohe Hürden für den Zugang zu den Universitäten errichten kann.
Thomas Schmidinger ist Lektor am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien und Präsident der IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen.