Weit über 100 Euro kostet ein Paar topaktueller Laufschuhe oder der Original-Fußball der "EURO 2008". Was der Sportbekleidungsindustrie große Gewinne verschafft, reicht offenbar nicht, um Näherinnen in den Entwicklungsländern das Auskommen zu sichern, heißt es im Bericht "Fair Play 2008", der am Montag in Wien vorgestellt wurde. Gewerkschaften und Nicht-Regierungs-Organisationen kritisieren darin vor der Fußball-EM und den Olympischen Spielen die "Hungerlöhne" und prekären Arbeitsbedingungen in der Sportartikelfabriken. Unterstützung für ihre Forderungen bekamen sie von Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S).
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
14 Stunden Arbeit am Tag, eine Sieben-Tage-Woche, streng reglementierte "Klo-Pausen" und Lohnabzüge fürs Plaudern mit den Kollegen. So sieht der Arbeitsalltag in chinesischen Sportartikelfabriken aus, berichtete die Hongkonger Gewerkschaftsaktivistin Pui-Lin Sham. "Es gibt zwar Arbeitsrechte in China, aber das nützt nichts, weil sie überhaupt nicht berücksichtigt werden", sagte Pui-Lin, die 27 Jahre in der Bekleidungsindustrie arbeitete. Gemeinsam mit Staphany Wong vom Kontaktbüro des Internationalen Gewerkschaftsbunds in der früheren britischen Kronkolonie setzt sie sich für bessere Arbeitsbedingungen in China ein.
Keine Gewerkschaften
"Das Kernproblem ist, dass es in China keine wirklichen Gewerkschaften gibt", sagte Wong. Das Pekinger Arbeitsministerium sei zu schwach, um jüngste Verbesserungen im Arbeitsrecht durchzusetzen. Viele Provinzregierungen stünden auf der Seite der Unternehmen, weil sie nur die Steigerung der Wirtschaftskraft im Auge hätten. Auch die von den multinationalen Sportartikelherstellern verabschiedeten Verhaltenskodizes zum Schutz von Arbeitnehmerrechten seien zahnlos, weil nicht rechtsverbindlich.
Lokale Subunternehmer würden zudem die Arbeitsbedingungen für ihre internationalen Auftraggeber beschönigen, heißt es in dem Bericht. So sagte ein chinesischer Arbeiter, dass er zwei Lohnabrechnungen erhalten habe - eine über die tatsächlich ausbezahlten 400 Yuan (36,9 Euro) und eine weitere über 900 Yuan "für die Inspektoren der Markenunternehmen". Auch die Zahl der Überstunden sei nur auf dem Papier reduziert worden - die Mehrarbeit müsse trotzdem weiter geleistet werden.
Auslagerung bis in Eigenheime
Kathrin Pelzer von der Organisation "Frauensolidarität" kritisierte, dass internationale Sportartikelhersteller ihre Aufträge über zahlreiche Subunternehmen "bis in die Eigenheime" auslagerten. Für die Heimarbeiterinnen gebe es keinerlei Arbeits- und Sozialrechte, weder Unfall- noch Krankenversicherung, geschweige denn Mutterschutz. Diese Arbeiterinnen könnten sich zudem kein stabiles Leben aufbauen, weil sie ihre Aufträge von einem Tag auf den anderen wieder verlieren können.
Michaela Königshofer von der "Clean Clothes Kampagne" wandte sich gegen die Darstellung, dass es sich dabei um isolierte Einzelfälle handle. Die Arbeitnehmer in der Sportartikelindustrie seien "flächendeckend" mit langen Arbeitszeiten und "Hungerlöhnen" konfrontiert, betonte sie. Die Konsumenten sollten daher mit ihrer Unterstützung für die "Fair-Play-2008"-Unterschriftenkampagne Druck auf die Sportartikelhersteller ausüben, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Gefordert werden eine Stärkung der Gewerkschaften, ein Ende der Produktionsverlagerungen und prekären Arbeitsverhältnisse sowie eine faire Bezahlung. Boykottaufrufe sind laut Königshofer kontraproduktiv, "weil ein Verlust des Arbeitsplatzes keine Verbesserung für die Arbeitnehmerinnen ist".
Bundeskanzler Gusenbauer signalisierte Unterstützung für die Forderungen. Es sollte nicht nur Fair Play am Fußballfeld oder in den Stadien geben, "sondern auch ein Fair Play bei all jenen, die in der Bekleidungs- und Sportartikelindustrie arbeiten", sagte Gusenbauer bei der Übergabe der "Fair Play 2008" Petition durch ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer, die chinesischen Gewerkschafterinnen und NGO-Vertreter. (APA)
Links:Frauensolidarität
+++ Clean Clothes Österreich
+++ Fair Play 2008-Petition