Oswiecim - Brandbriefe aus Los Angeles dürften bei der Stadtverwaltung des südwestpolnischen Oswiecim (Auschwitz) schon Aktenordner füllen. Seit Jahren kommt es immer wieder zu Kontroversen zwischen den Behörden der Kleinstadt und dem Simon Wiesenthal Center. Dabei geht es um den Umgang mit dem ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, für die jüdische Organisation der größte jüdische Friedhof der Welt.
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Denn die meisten der mindestens 1,1 Millionen von den Nationalsozialisten ermordeten Lagerhäftlinge waren Juden. Für die Behörden von Oswiecim gilt dagegen, dass die Einwohner von Oswiecim ein Recht auf ein normales Leben haben. Vor allem in der unmittelbaren Umgebung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau schwelt der Streit um Pietät und Kommerz.
Seit dem vergangenen Wochenende schlagen die Wogen wieder hoch. "Offensichtlich gibt es keine Grenzen bei den Plänen der städtischen Behörden, Profit aus dem Ort des Vernichtungslagers zu schlagen", schrieb Shimon Samuels vom Wiesenthal Centers in einem Brief an den polnischen Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski. Es sei an der Zeit, dass Warschau, also die Regierung, die Verantwortung für Auschwitz und die Wahrung der Würde des Ortes übernehme.
Auslöser des jüngsten Streits war die Genehmigung des südpolnischen Wojwoden für ein "Servicezentrum" des Unternehmers Janusz Marszalek. Marszalek ist für das Wiesenthal Center kein Unbekannter - jahrelang hatte sein Plan, einen Supermarkt in unmittelbarer Nähe der Gedenkstätte zu errichten, für einen Rechtsstreit gesorgt. Der Supermarkt wurde schließlich verboten, Marszalek erhielt eine finanzielle Entschädigung für das bereits begonnene Bauvorhaben.
"Ein Einkaufszentrum ist ein weiterer Schritt auf dem unaufhaltsamen Weg zu einem eventuellen Disneyland-Themenpark" kritisierte Samuels. "Alles nur ein Missverständnis", meinte dagegen Marszalek, der am Montag bereits den Parkplatz des neuen Zentrums in Betrieb nahm. Bei seinem Projekt gehe es um Angebote für Besucher der Gedenkstätte - ein Blumengeschäft etwa, ein Buchladen, eine Pizzeria.
Vom Parkplatz aus ist in einiger Entfernung ein Schild zu sehen: "Strefa Ochrony" (Schutzzone) heißt es darauf. Denn ein seit fast drei Jahren geltendes Gesetz verbietet wirtschaftliche Nutzung und Handel im Umkreis von bis zu 100 Metern um acht ehemalige deutsche Vernichtungslager in Polen. Das Gebäude des so genannten Servicezentrums befindet sich eindeutig innerhalb dieser Schutzzone.
Die neue Kontroverse kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Gemüter gerade erst wieder beruhigt haben. Im vergangenen Jahr wurde nach internationalen Protesten und dem Einspruch ehemaliger Häftlinge eine Diskothek auf dem Gelände einer ehemaligen Gerberei im Stadtzentrum geschlossen. Während des Zweiten Weltkriegs mussten dort Auschwitz-Häftlinge Zwangsarbeit leisten. Nun soll dort ein Handelszentrum entstehen, gegen das das Wiesenthal Center ebenfalls protestiert.
Dies geht Jerzy Wroblewski, als Direktor der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau mit dem Schutz des Andenkens der Holocaust-Opfer betraut, zu weit. "Wenn man sich den Schlussfolgerungen des Wiesenthal Centers anschließt, müsste man ganz Oswiecim vom Leben ausschließen", warnte er. Tomasz Kuncewicz, der Direktor des jüdischen Studienzentrums in der einzigen erhaltenen Synagoge der Stadt, in der vor dem Zweiten Weltkrieg Juden die Bevölkerungsmehrheit stellten, spricht von erheblichen Unsicherheiten polnischer und ausländischer Investoren, die inzwischen vor Projekten in Oswiecim zurückschreckten. "Die Unternehmen haben Angst, dass sich ein Gelände als heikel erweist."