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Auschwitz: Unerträgliche Langsamkeit Österreichs

Von Maximilian Graf

Gastkommentare

Besuchte man am letztjährigen österreichischen Nationalfeiertag die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz, so wurde man in der österreichischen Gedenkstätte mit "11. März 1938: Österreich erstes Opfer des Nationalsozialismus" begrüßt. Auf einer Zusatztafel wurde seit dem Jahr 2005 durch das Österreichische Generalkonsulat Krakau in Form eines dreisprachigen Aushanges gleich neben dem Eingang erklärt, dass die hier präsentierte, zu einseitige Darstellung Österreichs als Opfer nicht mehr dem heutigen historischen Selbstverständnis Österreichs entspreche.


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Weiter versprach der Aushang, dass eine neue Ausstellung gegenwärtig konzipiert werde. Angesichts der außergewöhnlich langen Konzeptionszeit wurde durch einen Leserbrief ("Wiener Zeitung", 5. November 2009) darauf hingewiesen, dass Österreich sein Umgang mit der NS-Vergangenheit mehr wert sein sollte "als eine Erklärung auf einem Taferl".

Ende November konnte das Dokumentationsarchiv Österreichischer Widerstand verlauten, dass ein wissenschaftlicher Beirat für die Neugestaltung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau gebildet wurde. Eine merkwürdige zeitliche Koinzidenz. Für Anfang 2010 wurde die Präsentation eines Konzepts angekündigt. Der "Standard" berichtete am 9. Jänner, dass die inhaltliche Konzeption nun zwei weitere Jahre dauern werde. Mehr als ein Jahr war es her, dass Polen mehr als 20 Staaten um finanzielle Hilfe bei der Erhaltung der gesamten Gedenkstätte in Auschwitz gebeten hatte, als am 15. Februar 2010 erneut nachdrücklich darüber berichtet wurde.

Während zahlreiche Länder, darunter vor allem die Bundesrepublik Deutschland, bereits reagiert hatten, war das österreichische Bundeskanzleramt noch immer beim Prüfen der Angelegenheit. Erneut wurde scheinbar erst auf Zuruf reagiert. Am 23. Februar 2010 konnte Vizekanzler Josef Pröll nach der Ministerratssitzung verkünden, dass sich die Republik Österreich mit sechs Millionen Euro beteiligen werde.

Dies geschieht freilich ohne Verzugszinsen, die bei diesem erneuten fahrlässigen Umgang mit der - immer noch jüngsten - Vergangenheit Österreichs eigentlich entstehen hätten sollen. Bei politischen Sonntagsreden an Feier- und Gedenktagen wird historisches Bewusstsein gerne zur Schau gestellt; kosten darf es dann aber nichts - oder erst, wenn nachdrückliche Forderungen auftreten. Bis dahin denkt sich vermutlich mancher auf seine ganz österreichische Art und Weise: "Irgendwie wird sich die Sache schon aussitzen lassen."

Aber wenn sich nächstes Mal ein Skandal mit einer österreichischen Schülergruppe in einer Holocaust-Gedenkstätte ereignet, werden politische Vertreter aller Couleur wieder empört aufschreiend anprangern, was sie zumindest in diesem Zusammenhang tagein, tagaus vorleben: Unverantwortlichkeit und völlige Gleichgültigkeit.

Maximilian Graf ist Dissertant an der Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dieser Gastkommentar entstand in Zusammenarbeit mit Alexander Lass, der als freier Journalist und angehender Historiker in Wien lebt.