Im Buhlen um die FPÖ droht die ÖVP überzubleiben. Das sorgt sogar bei manchen Blauen für Kopfschütteln.
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"Die ÖVP steht vor einem taktischen Desaster, einem politischen Scherbenhaufen: Es ist ihr seit den Wahlen nicht gelungen, eine tragfähige Beziehung zur FPÖ aufzubauen." Diese Sätze stammen von einem Funktionär der Blauen aus dem engsten Umfeld von Parteichef Heinz-Christian Strache. Sie könnten aber ebenso gut aus dem Mund eines Schwarzen kommen, der sich Sorgen um die schwindenden Optionen der ÖVP nach der nächsten Wahl macht. Davon gibt es in der Volkspartei nicht wenige, rechnet doch auch hier kaum jemand damit, dass die Grünen Platz drei in der Wählergunst gegen die wiedererstarkenden Freiheitlichen verteidigen können.
Das tun auch in der SPÖ nur wenige, weshalb die Gusenbauer-Partei längst ihre Strategie im Umgang mit den Blauen angepasst hat: Zu den einstigen politisch Unberührbaren gibt es heute ein intaktes Verhältnis.
Nur bei der einst blau- verliebten ÖVP kann davon keine Rede sein. Das mag mit den handelnden Personen zusammenhängen: ÖVP-Klubchef Wolfgang Schüssel ist für die Blauen ein rotes Tuch. Der Ex-Kanzler steht im Ruf, Strippenzieher gewesen zu sein, als sich 2005 das blaue Regierungsteam orange umfärbte und das BZÖ ins Leben rief. Entsprechend das Verhältnis Strache-Schüssel: Unterkühlt ist noch untertrieben.
Nicht viel anders verhält es sich mit Wilhelm Molterer: In den Augen der FPÖ trug der jetzige ÖVP-Parteichef den "schwarzen Vernichtungsfeldzug gegen die Freiheitlichen" - so ein FPÖ-Mann über die Zeit nach der Abspaltung - voll mit. Allenfalls Zukunftshoffnung Josef Pröll wird ein unbefangenerer Umgang mit der Strache-FPÖ attestiert.
ÖVP-General Hannes Missethon will dagegen von einem taktischen Desaster nichts wissen: "Jede Partei ist selbst für ihr Glück und Unglück verantwortlich" - radikal ausländerfeindliche Sprüche im Grazer Wahlkampf und ebensolche Anti-EU-Töne hätten Molterer-Sätze wie "nicht mit dieser FPÖ" sehr wohl gerechtfertigt. Im übrigen pflege er regelmäßige Kontakte mit allen Parteien - auch mit der blauen. Und Angst, dass die ÖVP in Sachen Koalitionsoptionen gegenüber der SPÖ nach der nächsten Wahl ins Hintertreffen geraten könnte, hat Missethon schon gar nicht: Motto: Jetzt wird mit der SPÖ regiert - und dann sieht man weiter.
Wenn sich die ÖVP da mal nur nicht verspekuliert, denken sich manche in der FPÖ, die auch lieber zwei als bloß eine Option bei der Hand hätten.
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