Von wegen: Niemand konnte mit dem energischen Vorpreschen Erwin Prölls rechnen. Ein ganzer Ausschuss im Parlament muss das geahnt haben.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Das Erfolgsmodell der österreichischen Politik gilt ja allgemein als weithin unübertroffen. Und das ist gänzlich ironiefrei geschrieben. Wobei: Eine gewisse Vorliebe für die mitunter paradoxe Entwicklung politischer Vorgänge sollte man schon aufbringen.
Seit März 2011 liegt der Entwurf der österreichischen Bundesregierung - und die ist bekanntlich nicht irgendwer - für eine neue österreichische Sicherheitsstrategie - und das ist bekanntlich nicht irgendwas - zur parlamentarischen Beschlussfassung in einem eigens dafür eingerichteten Unterausschuss im Hohen Haus. Der ursprüngliche Zeitplan sah vor, die Debatte bis zum Sommer abzuschließen. 2011 wohlgemerkt.
Die Frage Wehrpflicht oder Berufsheer wurde bei der Erarbeitung dieses Dokuments natürlich fein säuberlich von SPÖ und ÖVP ausgeklammert. Angeblich hätte man auch ohne diese Grundsatzentscheidung die Schlussfolgerungen aus einer umfassenden Bedrohungs- und Gefährdungsanalyse Österreichs ziehen können. Irgendwie geht ja bekanntlich immer alles, wenn nur der politische Wille Entsprechendes vorsieht.
Passiert ist aber ohnehin nichts, der Wille hat sich zwischenzeitlich nämlich wieder verflüchtigt. Und auch die Oppositionsparteien hatten mehr Fragen an den eher prosaisch gehaltenen Entwurf der Regierungsparteien.
Das wäre jetzt höchstwahrscheinlich bis zu den Nationalratswahlen im kommenden Herbst so weitergegangen. Wen, außer einer Handvoll Betroffener und einschlägig Interessierter, kümmert schon ein abstraktes Strategiepapier zu einer theoretischen Bedrohungslage? Offensichtlich nicht einmal die zuständigen Stellen dieser Republik. Und im schlimmsten Fall hätten die Regierungsfraktionen, womöglich sogar einfach nur, um ein bisschen Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, irgendwann irgendeinen Entwurf ihrer Wahl zur neuen Sicherheitsstrategie erkoren. Mehrheit ist schließlich Mehrheit, und die ist zum Beschließen da.
Dass es nun doch nicht so weit gekommen ist, dafür verdient Erwin Pröll, mag ihm auch Anderes, Eigennützigeres bei seinem Vorstoß für eine Volksbefragung über die Abschaffung der Wehrpflicht vorgeschwebt sein, fast schon Dank. Die natürliche Reihenfolge ist dadurch nämlich wieder hergestellt: Zuerst wird über die Organisation des Bundesheeres entschieden - und dann erst werden die konkreten Folgen der heimischen Bedrohungsszenarien auf die hiesigen Verhältnisse heruntergebrochen. Oder ist es doch eher der Verdienst jener Abgeordneten im Ausschuss, die sich in den vergangenen 18 Monaten nicht und nicht einigen konnten (oder wollten), weil es ihnen zu wichtig (oder völlig egal) war?
Noch wäre es allerdings zu früh, aus dieser aktiven Verweigerungshaltung des Parlaments einen Trend herauszulesen, wonach von den Abgeordneten nur noch das beschlossen wird, was nach ihrem bestem Wissen und Gewissen auch wirklich Sinn macht. Zu befürchten ist vielmehr: Die Angelegenheit war schlicht nicht wichtig genug. Bände spricht auch diese Variante allemal.