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Ausgleich auf Umwegen

Von Stefanie Holzer

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Zu Beginn eines jeden im Fernsehen übertragenen Fußballspiels fragt sich der Zuschauer, ob er für eine der beiden Mannschaften Sympathien hegt. Gibt es Gründe dafür, sich zu wünschen, dass A gewinnt? Soll besser B über A triumphieren? Am einfachsten fällt die Entscheidung, wenn eine Mannschaft spielerisch so gut ist, dass man nicht anders kann als ihr den Sieg zu gönnen. Häufig wünscht der Österreicher seinem Nachbarn den Sieg.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer wünschte sich, so verriet sie in der sonntäglichen Pressestunde als für Sportfragen zuständiges Regierungsmitglied Günther Ziesel, dass Italien im EM-Finale obsiegen möchte. Der Grund für ihre Parteinahme war weniger ein nachbarlicher als ein "bilateraler". Mittlerweile haben wir mitangesehen, wie der Wunsch der Vizekanzlerin sich nicht erfüllt hat. Frankreich hat gewonnen, obwohl sich Jacques Chirac, Lionel Jospin und Monsieur Moscovici Österreich gegenüber nach wie vor schlecht benehmen.

Der Ausgleich für Ungehörigkeiten wird bisweilen auf weiteren Umwegen erwirkt: Im "Literarischen Quartett" wurde Susanne Riedels Roman "Kains Töchter" verrissen. Zum Ausgleich wurde ihr am Sonntag der höchstdotierte Preis bei den "Tagen der deutschsprachigen Literatur" zugesprochen. Diese widersprüchlichen Stellungnahmen locken den Leser, selber herauszufinden, was Sache ist. So geht es offenbar auch vielen Franzosen, die heuer vermehrt zum Urlauben nach Österreich strömen.