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Auslaufmodell Gemeindebau

Von Bernd Vasari

Politik
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60 Prozent aller Wiener wohnen heute in geförderten Wohnungen. Jenis

Sozialistische Jugend will, dass Wien wieder selber Wohnungen baut.


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Wien. Der Wiener Gemeindebau wird derzeit in einer Wanderausstellung der Stadt Wien in der HTL Camillo-Sitte-Schule hochgelebt. Bilder und eine Filmvorführung zeigen glückliche Menschen in großzügigen Innenhöfen der burgähnlichen Wohnanlagen. Erzählt wird die Geschichte der Gemeindebauten in der Ersten Republik, eine Zeit, die viele Wiener die desaströsen Wohnumstände vergessen ließ, die sie bis dahin gewohnt waren. Der Bogen wird bis zur heutigen Zeit und darüberhinaus gespannt.

Der Titel der Ausstellung "Gemeinde baut - Wiener Wohnbau 1920 bis 2020" stiftet allerdings Verwirrung, denn die Stadt Wien hat im Jahr 2004 ihren bis dato letzten Gemeindebau in der Liesinger Rößlergasse errichtet. Seitdem ist die Stadt dazu übergangen, künftig nicht mehr selbst zu bauen, sondern ausschließlich den gemeinnützigen Wohnbau zu fördern.

Man kam zur Einsicht, dass Gemeindebauten nicht mehr billiger errichtet werden können, als geförderte Wohnbauten, heißt es aus dem Büro von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Pro Jahr würden nun 300 Millionen Euro in den Neubau, 200 Millionen Euro in Sanierungen und 100 Millionen Euro in die Unterstützung von Mietern fließen. Jährlich entstehen dadurch 6000 geförderte Wohnungen, 12.000 werden saniert. Nicht nur für die Wiener Mieter werde dadurch leistbares Wohnen sichergestellt. Die Förderungen seien auch ein Anreiz für Hauseigentümer, ihr Haus zu sanieren, sagt Ludwig. Heute hätte man dadurch etwa nur noch vier Prozent an Substandardwohnungen. Die Förderungen hätten darüber hinaus auch einen starken Einfluss auf den Wohnungsmarkt, da der Vermieter etwa bei geförderten Sanierungen für die ersten 15 Jahre nicht die marktüblichen Preise verlangen dürfe.

Weniger sozialistisch,

mehr Wirtschaftlichkeit?

Doch was passiert nach diesen 15 Jahren? Muss dann der Mieter erst recht wieder mehr bezahlen? "Es ist mir lieber, der Mieter zahlt 15 Jahre lang weniger als von Beginn an den marktüblichen Preis bezahlen zu müssen", meint der Wohnbaustadtrat dazu. Zudem würden viele Hauseigentümer der Stadt zu verstehen geben, dass sie auf die Zuschüsse nicht angewiesen seien. Die selbstfinanzierte Sanierung und die Möglichkeit, sofort höhere Mieten zu verlangen, sei für viele lukrativer. Man konnte daher nur einen Kompromiss über 15 Jahre erzielen.

Die ÖVP ist mit dieser Lösung ebenso einverstanden. Und mehr als 15 Jahre wären für Wiens ÖVP-Chef Manfred Juracka ohnehin der falsche Weg, um Wohnen leistbarer zu machen: "Damit verknappen wir das Angebot, weil sich der Neubau einfach nicht mehr rechnet." Daher sei man auch froh, dass die Stadt davon abgekommen sei, Gemeindebauten zu errichten. Allerdings kritisert man bei der ÖVP, dass es keine Eigentumsoption bei geförderten Wohnungen gibt.

Unterschiedliche

Meinungen in der SPÖ

Aber auch innerhalb der SPÖ gibt es Auffassungsunterschiede, was den Gemeindebau betrifft - nicht jeder in der Partei ist damit einverstanden, dass die Stadt nicht mehr selbst errichtet: So fordert etwa die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ), Marina Hanke, eine Wiederaufnahme der Bautätigkeiten. Für sie gehören Mieterschutz und öffentlicher Wohnbau zusammen. Nur gemeinsam könne der Bedarf an leistbarem Wohnraum gesichert werden, meint sie. Ob man mit dieser Forderung auch beim Landesparteitag der SPÖ Wien am Samstag durchkommen wird, könne sie aber noch nicht sagen. Die Förderungen an sich bewertet sie aber positiv.

Laut Ludwig wohnen 60 Prozent aller Wiener in geförderten Wohnungen. Das gebe es in keiner anderen Stadt und hätte einen starken Einfluss auf den Markt. Die Privatisierung der Wiener Gemeindewohnungen sei sicher kein Thema, versichert Michael Ludwig und verweist einmal mehr auf die sogenannten Smart-Wohnungen, ein Modell für leistbares Wohnen, das aktuell im Sonnwendviertel beim Hauptbahnhof zur Anwendung kommt. Durch die Verringerung der Kubaturen und Vereinheitlichung der Ausstattung sollen hier Kosten reduziert werden.