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Berlin - Den brisantesten Verdacht hat der Parteispenden-Untersuchungsausschuss des deutschen Bundestages nicht erhärten können: In dem 880 Seiten starken Feststellungsteil seines Abschlussberichts, der den Fraktionen am vergangenen Freitag zur politischen Bewertung zugegangen ist, findet sich kein einziger Beleg dafür, dass Entscheidungen der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohls gekauft worden sind. Andererseits hat der Ausschuss einen Spendensumpf der CDU sichtbar gemacht, wie man ihn nach der Flick-Affäre nicht mehr für möglich gehalten hätte.
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108 Sitzungen hatte der Ausschuss bisher. 56 davon waren öffentlich. 119 von 278 beschlossenen Zeugen wurden vernommen, 1.756 Ordner Beweismaterial beigezogen, 52.748 Datensätze auf CD-ROM gesichtet. In keinem Fall wurde der Nachweis geführt, dass Mitglieder oder Amtsträger der Regierung Kohl oder die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP Spenden erhalten haben, die geeignet waren, Regierungsentscheidungen zu beeinflussen.
Hinweise darauf, wer die Spender jener 2,1 Mill. Mark (1,074 Mill. Euro) waren, deren Identität Kohl bis heute hartnäckig geheim hält, hat der Ausschuss allerdings auch nicht erhalten. In diesem Punkt muss also die Frage nach einem möglichen Einfluss auf Regierungshandeln unbeantwortet bleiben.
Dass beim Verkauf der Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennetzes an den damaligen französischen Staatskonzern Elf Aquitaine Schmiergelder geflossen seien, blieb eine unbewiesene Behauptung von Elf-Managern, von denen die französische Justiz annimmt, dass sie die Millionen selbst eingesteckt haben. Allerdings hat an diesem Deal die ehemalige Verteidigungsstaatsekretärin Agnes Hürland-Büning kräftig mitverdient, das aber allein durch Wichtigtuerei: Die Pipeline von der Nordsee nach Leuna, die "Mutter Raffzahn" verhindert zu haben vorgab, ist in Wahrheit am Widerstand der Landesregierung von Sachsen-Anhalt gescheitert.
Ähnlich verhält es sich mit dem Verkauf der 36 deutschen Fuchs-Spürpanzer an Saudiarabien 1991. Hier gelang es dem mit Haftbefehl gesuchten Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls, die Thyssen-Manager glauben zu machen, er habe das Geschäft in der Regierung durchgesetzt, was ihm mit 3,8 Millionen Mark aus der Schmiergeldkasse der Panzerschmiede honoriert wurde. In Wahrheit hatte Kohl persönlich längst entschieden, dass die Panzer geliefert werden.
Erfolgreicher war der Ausschuss in der Aufdeckung der illegalen Spendenpraxis der CDU. Für Frank Hofmann, den SPD-Obmann im Ausschuss, ist die erschütterndste Erkenntnis aus den Untersuchungen, dass die CDU nach der Flick-Parteispendenaffäre einfach weitergemacht habe wie zuvor, "nur mit verfeinerter krimineller Energie". "Während Schatzmeister Walther Leisler Kiep noch das Flick-Verfahren am Hals hatte, nahm er in der Schweiz schon die nächste Million in bar in Empfang", sagt Hofmann.
Aufgedeckt hat der Ausschuss vor allem, dass es in der CDU ein umfangreiches und ausgeklügeltes System schwarzer Konten gegeben hat, durch das von 1981 bis 1998 zwischen 18 und 20 Millionen Mark geflossen sind und aus dem heraus der Parteivorsitzende Kohl nach Gutdünken, gegen Gesetz und CDU-Statut, Geld an Parteigliederungen verteilt hat. Mindestens drei konspirativ verwaltete Kassensysteme gab es, darunter ein vom Finanzberater Horst Weyrauch gelenktes Vertuschungssystem mit Depotkonto und Anderkonten von nur stundenweiser Lebensdauer sowie ein Konto in der Schweiz, das nach Angaben des Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje mit Millionenspenden von Siemens gespeist wurde - was Siemens allerdings bestreitet.
Insgesamt enthält die Bilanz des Ausschusses aber auch hier mehr unbeantwortete Fragen als zu Beginn der Arbeit. Die Fragen beispielsweise, ob der ehemalige CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble oder seine Schatzmeisterin Brigitte Baumeister die ominöse 100.000-Mark-Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber entgegengenommen hat, ob es vielleicht sogar zwei Schreiber-Spenden in dieser Höhe gegeben hat und wer in dem Fall die zweiten 100.000 Mark eingesteckt hat, konnten weder der Ausschuss noch anschließend der Staatsanwalt beantworten.
Die Nachwehen der Affären werden Justiz und Steuerbehörden noch lange beschäftigen. Insgesamt haben Staatsanwälte in elf deutschen Städten mehr als 30 Ermittlungsverfahren gegen 25 Personen eingeleitet. Einige Verfahren wurden inzwischen ohne Ergebnis, andere gegen eine Geldbuße eingestellt. Kohl zahlte 300.000 Mark dafür, dass die Bonner Staatsanwaltschaft dem Verdacht der Untreue nicht weiter nachging. Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwälte gegen Kiep, dem sie vorwerfen, vor den Untersuchungsausschuss gelogen zu haben, sind noch in vollem Gange.