Zum Hauptinhalt springen

Ausschuss reist ins Formaldebatten-Nirwana

Von Daniel Bischof

Politik

Dispute um Geschäftsordnung hemmen Vorarlberg-Tag im U-Ausschuss. Beamter berichtet von Politeinfluss im Fall Pierer.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Es ist lächerlich, was Sie aufführen!", fährt Wolfgang Sobotka Mandatar Jan Krainer an. Lautstark beschwert sich der Nationalratspräsident am Mittwoch im ÖVP-U-Ausschuss über den SPÖ-Politiker Krainer. Dieser lasse niemanden ausreden, schimpft Sobotka. Wenn Krainer so weitermache, könne man die Stehung - eine Debatte zur Klärung verfahrensrechtlicher Fragen - ja gleich wieder beenden.

Es ist nicht die einzige Unmutsbekundung an diesem Tag. Eigentlich sollte es im U-Ausschuss nach Wunsch der Opposition und der Grünen am Mittwoch um die Vorarlberger Inseratenaffäre gehen. Doch die ÖVP sieht das Thema vom Untersuchungsgegenstand des Ausschusses nicht gedeckt. Stehungen und Dispute, ob diese oder jene Frage zulässig ist, prägen den Ausschusstag.

Inhaltlich bleiben die Befragungen des Vorarlberger Landeshauptmanns Markus Wallner (ÖVP) und eines Steuerbeamten hingegen dürftig. Gegen Wallner wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Vorteilsannahme ermittelt. In seiner einleitenden Stellungnahme weist Wallner die strafrechtlichen Vorwürfe zurück. Wenn es sonstige Fehlentwicklungen gegeben habe, würden diese restlos aufgeklärt werden. Die anschließende Befragung Wallners wird dann durch zahlreiche und stundenlange Formaldebatten unterbrochen.

"Das gehört hier nicht her"

Ins Rollen kam die Inseratenaffäre durch eine Steuerprüfung beim Vorarlberger Wirtschaftsbund. Sie begann im Jänner 2022. Im Zuge der Prüfung tauchten Vorwürfe auf, dass der Wirtschaftsbund, eine Teilorganisation der Landes-ÖVP, Gelder nicht richtig versteuert haben soll. Darunter hohe Geldspenden an die Vorarlberger ÖVP. Unternehmer sollen außerdem dazu gedrängt worden sein, in der Wirtschaftsbund-Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft" zu inserieren. Laut einem namentlich nicht bekannten Unternehmer soll Landeshauptmann Wallner im Gegenzug für Inserate auch ein politisches Entgegenkommen versprochen haben.

Die ÖVP empört sich, dass die Opposition diese Causa im ÖVP-U-Ausschuss untersuchen will. "Wir erleben einen typischen Tag der Opposition unter Missachtung des Rahmens des Untersuchungsgegenstandes", sagt Nationalratsabgeordneter Christian Stocker (ÖVP). Diese Thematik gehöre "hier nicht her". Weder der Wirtschaftsbund Vorarlberg noch das Herausgeben einer Zeitung oder die Inseratenvergabe seien vom Untersuchungsgegenstand gedeckt.

Verfahrensrichterin Christa Edwards sieht eine ähnliche Problematik. Sie ziehe sich hier auf ihren richterlichen Standpunkt zurück und werde nicht von parteipolitischen oder medienöffentlichen Interessen beeinflusst, sagt Edwards, die auch Richterin am Oberlandesgericht Wien ist. Das Steuerverfahren habe erst im Jahr 2022 begonnen und liege daher "eindeutig außerhalb des Untersuchungszeitraums". Der ÖVP-U-Ausschuss untersucht die Zeit zwischen dem 18. Dezember 2017 und 11. Oktober 2021. Zahlreiche Fragen zu der Causa wurden vom Ausschussvorsitzenden Sobotka dann auch nicht zugelassen.

Ein inhaltlicher Durchbruch gelingt dann aber, als es gerade nicht um die Vorarlberger Inseratenaffäre geht. Und zwar bei der Befragung eines Finanzbeamten, der im Finanzamt für Großbetriebe arbeitet und in die Prüfung des Wirtschaftsbundes involviert ist. Er berichtet, dass es rund um diese Prüfung keine politische Einflussnahme gegeben habe, in einer anderen Causa hingegen schon.

Im Jahr 2017 waren steuerliche Unterlagen über KTM-Chef Stefan Pierer, der 430.000 Euro an die ÖVP gespendet hat, an SPÖ-Politiker Krainer weitergegeben worden. Krainer machte die Unterlagen öffentlich. Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) vermutete, dass Mitarbeiter in der Finanzverwaltung Krainer die Unterlagen zugespielt hatten.

"Es wurde versucht, die Sau zu finden"

Verdächtigt wurde der Finanzbeamte und einer seiner Kollegen. Sie waren beide mit der Causa beschäftigt. Die Beamten wurden vom Finanzressort bei der WKStA angezeigt, auch ein Disziplinarverfahren wurde gestartet. Neben Schelling habe auch der damalige Sektionschef und spätere Finanzminister Eduard Müller seine Verfolgung "mit Nachdruck" forciert, so der Beamte.

Es sei versucht worden, vor der NR-Wahl 2017 "den Täter, die Sau zu finden, die man durchs Dorf treiben muss". Er sei erschüttert gewesen, sein Kollege "war am Boden zerstört". Sie seien "rechtswidrig" vom Finanzressort verfolgt worden. "Gegen mich wurde ein Akt von 8.000 Seiten angelegt", sagt der Beamte.

Herausgekommen sei bei den Verfahren nichts, die Datenschutzbehörde habe festgestellt, dass das Ministerium zu rechtswidrigen Maßnahmen gegriffen habe. Rechtsstaatlich sei das "bedenklich" gewesen und Grenzen seien überschritten worden, so der Beamte. Sollte es erneut zu einer politischen Einflussnahme kommen, würde man sich heute "mehr wehren". Das solle sich jeder Politiker auf die Fahnen heften, der so etwas noch einmal versuchen wolle.