Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" in Frankenburg: Wenig Verständnis für Arigonas Aktion. | Demonstranten "zu zwei Drittel keine Einheimischen". | Frankenburg. "Asyl ist Menschenrecht". Einzig das kleine Pickerl auf der Wand und ein paar achtlos weggeworfene Transparente an der Rückseite des Gebäudes zeigen an, dass man hier richtig ist. Vorausgesetzt, man sucht das Haus der Zogajs. Hier, im oberösterreichischen 5000-Seelen-Ort Frankenburg hatte die kosovarische Familie eine neue Heimat gefunden - bevor am 27. September Vater und vier Kinder abgeschoben wurden und die 15-jährige Tochter Arigona durch ihr Verschwinden und ihre Selbstmord-Drohung zum Medienstar avanciert ist.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Unfreiwillig in den Mittelpunkt des Medieninteresses geraten sind auch der Ort und seine Bewohner, die, glaubt man den Berichten, geschlossen hinter den Aktionen für die Zogajs stehen. Ein Lokalaugenschein in der Gemeinde zeichnet jedoch ein anderes Bild.
Das "Café Würfelspiel" ist benannt nach einem Brauch aus den Bauernkriegen - im Mai 1625 haben die verfeindeten Gruppen in Frankenburg gegeneinander gewürfelt, wer verlor, wurde am Kirchturm gehängt. An jenem Samstag Mitte Oktober, als dutzende Menschen für den Verbleib der Familie Zogaj in Österreich demonstriert haben, hatte das Kaffeehaus am Hauptplatz geöffnet. "Als einziges Lokal", meint die Kellnerin. Die anderen Wirte hätten sich den Ärger ersparen wollen. Kein Wunder - auch im "Café Würfelspiel" wäre es beinahe zu einer Schlägerei gekommen, als jugendliche Demonstranten die älteren Stammgäste provozierten.
"Rechtsruck im Ort" durch Arigona-Rummel
Nur ein Drittel der 500 Teilnehmer an der Demo seien Frankenburger gewesen, erklärt die Kellnerin. Der Rest sei aus Linz und anderen Städten mit Bussen herangekarrt worden. Überhaupt glaubt sie, dass der Rummel um "Arigona einen Rechtsruck im Ort verursacht hat". Denn die Videobotschaft aus ihrem Versteck sei nicht gut angekommen: "Die haben sich alle nur gedacht ,was will denn der Fratz?"
Am Anfang sei das anders gewesen: Schulkolleginnen der 15-Jährigen zogen mit Unterschriftenlisten durch den Ort - beinahe jeder hat damals bereitwillig unterschrieben. "Die hätten später, nach den Medienberichten, nicht einmal mehr die Tür aufgemacht."
Während die Kellnerin, wie viele andere Junge im Dorf, diplomatisch bleibt, gehen an den Stammtischen die Wogen hoch. Von den älteren Frankenburgern will niemand glauben, dass Arigona und ihre Familie so gut integriert waren, wie es das breite Oberösterreichisch des Mädchens vermuten lässt.
So in einem urigen Lokal etwas außerhalb des Orts. Ein Siebzigjähriger, der heute nicht vor seinem ersten Bier sitzt, beklagt die "islamische Weltverschwörung". Und sein Stammtischkollege erzählt von den Untaten der älteren Zogaj-Brüder. Sie hätten "Werkzeug gefladert und Polizisten gehaut", einer hätte sogar beim Maskenball einem "Mädchen das Dirndl angezündet". Worauf seinem Kollegen glatt die Tränen in die Augen steigen. Weniger Mitleid haben die zwei freilich mit "den Ausländern": Immerhin hätten sie ihr Leben lang geschuftet und jetzt sei ihre Pension kleiner, als die "Sozialhilfe für die Ausländer".
Verständnis in Unwillen umgeschlagen
Weniger krass argumentiert ein Pensionist im Kaffeehaus: "Zuerst habe ich mir gedacht, dass es schade ist, wenn die Zogajs gehen müssen, weil sie gut integriert sind. Das hat sich geändert, als die Straftaten bekannt geworden sind." Etwa habe Arigona versucht, im Supermarkt etwas zu stehlen.
In besagtem Supermarkt will das niemand bestätigen. Eine der Verkäuferinnen kennt hingegen ein anderes Gerücht: "Die Arigona hat in der Schule ein Mädchen gemobbt, das Meningitis gehabt hat." Außerdem hätten sich viele Einheimische vor den älteren Brüdern gefürchtet. "Das waren richtige Raufertypen", sagt sie. Auch für die Mutter hat sie wenig Verständnis: "Als Mutter finde ich es sehr schlimm, dass eine Mutter nicht ihren Kindern folgt."
"Vater handelte
unverantwortlich"
Der Besitzer der Modeboutique macht eher den Vater für das Dilemma der Familie verantwortlich: "Der hat trotz des negativen Bescheids seine Familie nachgeholt - das ist unverantwortlich", sagt er. Wie viele hier ist sich der Verkäufer sicher, dass Arigona lange Zeit im Ort versteckt gehalten wurde - und dass die Videobotschaft inszeniert war. Die Lehrer hätten die Kinder dazu gezwungen, bei der Demonstration mitzumachen - was Hauptschuldirektor Alois Hemetsberger vehement verneint. Zum Vorwurf, Arigona hätte eine Mitschülerin gemobbt, schweigt er lieber.
Am Würstelstand, wo einige der 1300 Frankenburger Pendler tratschen, ist man sowieso für "Familienzusammenführung im Kosovo": "Ausse, owe und dann hama a Ruah in Frongaburg", so der Tenor.
Dass die Zogajs im Kosovo ein schönes Leben haben könnten, glaubt man auch in dem Wirtshaus, das dem Haus der Familie direkt gegenüber liegt. Dort hofft man, dass sich Innenminister Günther "Platter nicht erpressen lässt". Die Kinder seien immer laut gewesen, meint der Wirt, die Autos der Familie hätten seinen Gästeparkplatz verstellt. Er will nicht glauben, dass Arigona am Nachmittag einen Nervenzusammenbruch erlitten haben soll: "Die hab ich doch vor einer Stunde erst beim Spar gesehen."
Und ein Gast erklärt: "Ich geh viel fort, aber ich höre nie, dass einer gesagt hat, sie soll bleiben."