In der neuen EU-Kommission wird Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner das Ressort Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik leiten. Erfreut zeigten sich die Kandidatin selbst und die Regierungsparteien; die Opposition gab sich weniger beeindruckt. Ferrero-Waldner könnte in der EU-Behörde lediglich die Stelle einer "Platzhalterin" einnehmen, wandten die Grünen ein.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Am Mittwoch hatte sie noch keine Wünsche geäußert. Sie möchte ein "interessantes Ressort", erklärte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner lediglich. Dies dürfte in Erfüllung gehen. Zwar wird die künftige EU-Kommissarin weder den Bereich Entwicklung und Humanitäre Hilfe noch Erweiterung leiten, für die sie immer wieder im Gespräch war. Doch im Ressort Außenbeziehungen und europäische Nachbarschaftspolitik werde sie ihre außenpolitischen Erfahrungen und ihr "österreichisches Wissen" einbringen können, betonte sie.
"Das ist ein ganz zentrales Ressort, eine Schlüsselfunktion für die gesamte Europäische Union", sagte Ferrero-Waldner gestern gegenüber der APA. So lange die neue EU-Verfassung noch nicht Gültigkeit habe, werde sie Nachfolgerin des bisherigen EU-Außenkommissars Chris Patten sein, erläuterte sie ihren Aufgabenbereich in der künftigen EU-Kommission. Hinzu komme die neue Nachbarschaftspolitik. Sie werde zuständig sein für die Beziehungen zu Moldawien, zur Ukraine und zu Weißrussland, ferner für die Beziehungen mit den Staaten des südlichen Kaukasus (Armenien, Aserbaidschan und Georgien), sowie für die südlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tunesien und die Palästinensische Autonomiebehörde.
Die österreichische Regierung zeigte sich über die Ressortzuteilung erfreut. Die Aufgabe sei "eine großartige Herausforderung für unsere Außenministerin", stellte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel fest. Er sei überzeugt, dass sie dies "hervorragend meistern wird". EU-Kommissar Franz Fischler sieht die "kühnsten Erwartungen Österreichs" übertroffen. Das Land könne sich nur gratulieren.
Lob spendete auch die FPÖ. EU-Kommissionspräsident José Manuel Durao Barroso hat mit der Ressortzuteilung "viel politisches Fingerspitzengefühl bewiesen", erklärte Vizekanzler Hubert Gorbach. Die langjährige außenpolitische Erfahrung Ferrero-Waldners werde Österreich und ganz Europa zugute kommen. FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner ortet eine "Aufwertung für Österreich". Via Aussendung regte er aber auch an, das System der Bestellungen zu überdenken. Es sei nämlich merkwürdig, dass bis zur offiziellen Bekanntgabe kein Land wisse, wofür der eigene Kommissar zuständig sein werde.
Einwände der Opposition
Diese Kritik hatte die Opposition schon zuvor vorgebracht. Und auch gegen die Ressortzuteilung äußerte sie gestern Einwände. SP-Klubobmann Josef Cap sieht die Nominierung als "Ausdruck eines EU-Kompetenzsalates". Neben dem derzeitigen Außenpolitik-Beauftragten, Javier Solana, und Kommissions-Präsident Barroso drohe Ferrero-Waldner "zu einer Art EU-Staatssekretärin für die Nachbarländer" zu werden.
Ähnlich kommentierte es der Grüne EU-Mandatar Johannes Voggenhuber: Ferrero-Waldner nehme in der neuen EU-Kommission nur die Stelle einer "Platzhalterin" ein. "Es ist ein schöner und pompöser Titel, aber in Wahrheit handelt es sich um eine Stelle, die abgeschafft werden soll", stellte Voggenhuber fest.
Barroso koordiniert
Tatsächlich obliegt die Koordinierung der EU-Außenpolitik in der Brüsseler Behörde dem neuen Kommissionspräsidenten Barroso. Ferrero-Waldner vertritt ihn bei dieser Aufgabe. Zuständigkeiten im Außenbereich haben auch der Brite Peter Mandelson (Außenhandel), der Finne Olli Rehn (Erweiterung) und der Belgier Louis Michel (Entwicklung und Humanitäre Hilfe).
Mit Inkrafttreten der EU-Verfassung - wahrscheinlich Ende 2006 - wird der Spanier Javier Solana, derzeit EU-Außenbeauftragter, Außenminister der EU. Danach wird Ferrero-Waldner ihren Angaben zu Folge "das Dossier der neuen Nachbarschaftsländer führen" und als Koordinatorin für die anderen Ressorts wirken.
Doch auch nach der Ernennung Solanas werden die anderen für Außenbeziehungen zuständigen Kommissionsmitglieder ihre Ressorts weiter betreuen können, kündigte Barroso an. Es handle sich nämlich um "Außenressorts". "Wir bereiten eine sanfte Landung des neuen Außenministers vor", sagte er.
Der designierte Präsident unterstrich, dass er das Recht habe, die Ressortzuständigkeit jederzeit selbst zu ändern. Für welchen Aufgabenbereich Ferrero-Waldner nach Amtsübernahme des EU-Außenministers zuständig sein werde, ließ er offen.
Am 23. September soll das Europäische Parlament die EU-Kommission bestätigen, die am 1. November ihre Arbeit aufnimmt. Bis dahin bleibt Ferrero-Waldner Österreichs Außenministerin. Über ihre Nachfolge in diesem Amt wollte sie gestern keine Angaben machen. Die Ernennung obliege dem Bundeskanzler, wiederholte sie. Dieser hatte verkündet, den Namen erst nach Bestätigung der EU-Kommission bekannt geben zu wollen.