Neben dem Dauerbrenner Naher Osten haben sich die EU-Außenminister gestern zu Beginn des Rats der Allgemeinen Angelegenheiten in Brüssel mit der Frage des EU-Reformkonvents beschäftigt. Italien dürfte tatsächlich Vize-Ministerpräsident und Ex-Neofaschist Gianfranco Fini in das Gremium entsenden. Vor allem Deutschland und Schweden hatten gegen die Nominierung des Postfaschisten-Chefs protestiert. Außenministerin Benita Ferrero-Waldner hat den Österreich-Botschafter in Belgien und bei der NATO, Thomas Mayr-Harting, zu ihrem persönlichen Balkan-Beauftragten ernannt.
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Mit seinem Arbeitsort Brüssel sei Mayr-Harting (47) sei "sehr gut platziert", um Österreichs Balkan-Erfahrung in die Arbeit von EU und NATO einfließen zu lassen, erklärte Ferrero-Waldner am Rande des Außenministerrates. der Botschafter solle auch in die Region reisen und mit dem neu ernannten EU-Koordinator für den Südosteuropa-Stabilitätspakt, Ex-Vizekanzler Erhard Busek, eng zusammen arbeiten. Österreich richte weiter sehr große Aufmerksamkeit auf den Balkan.
Brennpunkt Balkan wichtig für Österreich
Laut Ferrero-Waldner soll beim heutigen Treffen mit der OSZE eine Grundsatzentscheidung fallen, ob die EU die von der UNO geführte internationale Polizeieinheit in Bosnien nach 2003 weiterführen wird. Ferrero-Waldner vermerkte positiv die Annäherung zwischen "Belgrad, Zagreb und Sarajewo", wobei es besonders wichtig sei, dass in Bosnien nun der Generalstaat angesprochen werde.
Der Vormittag des Allgemeinen Rates war gestern einer öffentlichen Debatte über das Arbeitsprogramm des spanischen EU-Vorsitzes gewidmet. Für das Mittagessen war eine - heikle - Debatte über Finanzierung, Organisation und Besetzung des EU-Reformkonvents angesetzt.
15 Mill. Euro für Konvent
Die Finanzen des Konvents, der im Dezember formell beschlossen wurde, konnten im vergangenen Jahr noch nicht budgetiert werden. Nun wird es ein Nachtragsbudget geben. Mit 15 Mill. Euro beziffert Österreichs stv. Generaldirektor im Rat der EU, Hans Brunmayr, die Kosten für das Gremium. "Daran soll es jetzt nicht scheitern."
Der Konvent setzt sich u.a. aus Vertretern der nationalen und des Europäischen Parlaments zusammen, der Kommission und der Beitrittskandidaten zusammen. Wen die österreichische Regierung in das Gremium entsendet, ist nach wie vor offen. Außenministerin Ferrero-Waldner sagte, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel werde den Vertreter der Bundesregierung "bald" nennen - aber "wahrscheinlich nicht von Russland aus" (wo sich Schüssel gerade auf Staatsbesuch befindet). In den ersten EU-Konvent zur Ausarbeitung der Grundrechtecharta hatte Schüssel im Jahr 2000 den Ex-VP-Nationalratspräsidenten und Verfassungsrechtler Heinrich Neisser entsandt.
Jedes Land müsse seinen Regierungsvertreter im EU-Konvent selber bestimmen können, meinte Ferrero-Waldner im Hinblick auf den umstrittenen italienischen Postfaschisten-Führer Fini, der seine Regierung im Konvent vertreten soll. Deutschland zieht seinen Protest gegen den Postfaschisten zurück, um den "überzeugten Europäer" Giuliano Amato im Gremium zu halten, sagte Außenminister Joschka Fischer. Der Ex-Ministerpräsident sowie Belgiens Jean-Luc Dehaene waren überraschend zum Stellvertreter von Konventspräsident Valéry Giscard d´Estaing ernannt worden; ursprünglich waren keine Stellvertreter vorgesehen. Kritiker hatten moniert, Italien sei mit Amato bereits vertreten. Also kündigte Berlusconi den Verzicht auf Amato an, um Fini zu entsenden. Nun wird auch Belgien einen zweiten Vertreter entsenden können.