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Äußerst reger Zahlungsverkehr bei Bawag-PSK

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Das fragile Kapital-Konstrukt von Cerberus kommt unter Druck.|Republik sorgt sich zunehmend um ihr Bankgeschäft.


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Wien.

Als am 23. April 2012 das Finanzministerium den Vertrag über den Zahlungsverkehr des Bundes mit der Bawag PSK verlängerte, hätte es eigentlich schon wissen müssen, dass der Bankeigentümer vor kniffligen Aufgaben steht. Nun ist es offenkundig: Der US-Hedgefonds Golden Tree tauschte eine Cerberus-Anleihe in einer der vielen Eigentümerholdings gegen Aktien und hält nun durchgerechnet knapp unter zehn Prozent an der Bawag PSK. Dies wurde der "Wiener Zeitung" auf Anfrage inoffiziell bestätigt.

Ohne, dass es jemand weiß. Denn es fügt sich wunderbar, dass eine Genehmigungspflicht von Nationalbank und Finanzmarktaufsicht erst ab zehn Prozent eintritt. Golden Tree, ebenfalls ein Hedgefonds aus New York, wird kontrolliert von Steven Tananbaum und hat sich auf spezielle Anleihen konzentriert. Und Tananbaum kaufte offenkundig solche Anleihen eines Finanzvehikels von Cerberus, der im Dezember 2006 die Bawag um insgesamt 3,2 Milliarden Euro erwarb.

Der nunmehrige Tausch in Aktien kann zweierlei bedeuten: Entweder Cerberus wollte oder konnte die Anleihe nicht zurückzahlen. Der massive Personalabbau in der Bank (die "Wiener Zeitung" berichtete exklusiv) erhöhte jedenfalls das Vertrauen in Cerberus nicht.

Die Transaktion mit Golden Tree spielte sich in einer der komplexen Steuerspar-Konstruktionen zwischen den Niederlanden und Cayman Islands ab und blieb dementsprechend unbemerkt.

Genau das ruft die Aufsichtsbehörden auf den Plan. Denn Bankeigentümer müssen transparent sein. Vor allem bei einem Institut, das (via PSK-Schiene seit 120 Jahren) den gesamten Zahlungsverkehr des Bundes, inklusive jenes der Ämter, Behörden und staatlichen Unternehmen abwickelt.

Die Bankleitzahl

der Republik: 1000

"Es geht der gesamte Massen-Zahlungsverkehr des Bundes über die Bawag PSK", ist aus Aufsichtskreisen zu hören. "Lehrer, öffentlich Bedienstete, alle bekommen ihr Geld darüber. Die bei den Finanzämtern einlangenden Steuern werden über die PSK abgewickelt." Mehr als acht Milliarden Euro werden damit jedes Jahr bilanzwirksam bewegt, das tatsächliche Volumen liegt noch höher. Seit April hat die Republik sogar eine eigene Bankleitzahl dafür. Sie lautet - wenig erstaunlich - 1000 und wurde vom Finanzministerium bisher nicht verlautbart.

Wenn die Republik ihre Zahlungen über eine Bank abwickelt, die einem US-Hedgefonds gehört, sollte die Bonität der Bank glasklar sein, ist anzunehmen. Was also würde passieren, wenn Cerberus in Probleme gerät und damit die Bawag auch? Die Frage löst im Finanzministerium Schockstarre aus. Nicht einmal wie lange der Vertrag läuft, will man sagen - eine doch interessante Definition von Transparenz.

Im Ernstfall würde - so IT-Experten von Banken - der Zahlungsverkehr wohl einige Tage stehen, die Republik könnte nichts ausbezahlen und würde keine Einnahmen erhalten. Hinter den Kulissen wird daher im Finanzministerium und der Nationalbank an einer Neuordnung gebastelt, die in spätestens zwei Jahren stehen soll. Damit soll dieser Zahlungsverkehrsauftrag öffentlich ausgeschrieben werden. Eine langjährige Forderung der Mitbewerber der Bawag PSK, vor allem von Raiffeisen und Sparkassen. Denn mit der Privatisierung der PSK im Jahr 2000, als sie an die Bawag verkauft wurde, und deren Verkauf an Cerberus ist auch der öffentliche Geldstrom "privatisiert" worden. Für die Bawag PSK ist das Geschäft natürlich beträchtlich, ein Verlust wäre für Cerberus ein herber Schlag.

Denn der Bund hat noch ein Druckmittel: 550 Millionen Euro Staatskapital stecken seit 2009 in der Bank. Sie sollen 2014 zurückgezahlt werden. Die Bawag verdient derzeit etwa 100 Millionen Euro im Jahr und hat laut eigenen Angaben 1,6 Millionen Kunden.

Cerberus kaufte nicht alleine

Um den "Einstieg" der hierzulande weitgehend unbekannten "Golden Tree Asset Management" bei der Bawag PSK zu verstehen, ist es notwendig, in den Dezember 2006 zurückzublicken. Nach desaströsen Veranlagungen durch Wolfgang Flöttl, den Sohn eines Ex-Bawagchefs, und der Pleite der US-Wertpapiertochter Refco war die Bawag ruiniert. Der damalige Bawag-Chef Helmut Elsner wanderte in der Folge ins Gefängnis, es folgten aufsehenerregende Prozesse und ein Untersuchungsausschuss - der Verbleib der Milliarden ist aber nach wie vor ungeklärt. Der damalige Eigentümer ÖGB war ebenfalls von der Pleite bedroht. Es gab also eine pompöse Rettungsaktion, an dessen Ende der Verkauf stand. Cerberus, die US-Investmentgesellschaft, kaufte um 2,6 Milliarden Euro, weitere 600 Millionen folgten als Kapitalzuschuss. "Die politische Implikation des Bawag-Skandals war ungeheuer, ich nehme an, dass niemand ganz genau hingeschaut hat bei Cerberus. Der Verkaufspreis war für alle eine Erleichterung", sagt ein damals involvierter Finanz-Experte zur "Wiener Zeitung". Der ÖGB ging nicht pleite.

"Cerberus hat damals ein irrsinnig komplexes Kapitalgebilde hochgezogen", ist aus Bawag-Kreisen zu hören. "Das Eigen-Risiko von Cerberus wurde bei etwa einem Drittel vermutet, zwei Drittel des Kapitals kamen von anderen Investoren. Es musste aber so dargestellt werden, dass Cerberus und dessen Chef Stephen Feinberg trotzdem die Kontrolle haben." Aus Staatsräson dürften beim Verkauf also die Aufsichtsbehörden - Finanzministerium, Nationalbank, Finanzmarktaufsicht - nicht dem Sinn, sondern stur den Buchstaben der Gesetze gefolgt sein. Sie zogen sich - bis heute - auf diesen Standpunkt zurück: Der neue Eigentümer ist die Bawag Holding, sie wird kontrolliert von Cerberus. Punkt. Alles dazwischen: wurscht.

Tatsächlich finanzierten Citibank, Goldman Sachs, Lehman Brothers (nach deren Pleite die Deutsche Bank) und eben der US-Fonds Golden Tree kräftig mit. Sie gaben Cerberus Geld in Form von Anleihen. Anleihen, die in der Definition der Finanzindustrie als Eigenkapital galten - kontrolliert von Cerberus.

Es wurde gefeilscht

um jeden Dollar

Die Ende 2008 ausbrechende Finanzkrise und die von Aufsichtsbehörden und Zentralbanken in EU und USA folgende Verschärfung der Eigenkapital-Definition macht der Bawag-Konstruktion gehörig zu schaffen. 2009 musste die Bawag Staatskapital in Anspruch nehmen, 550 Millionen Euro plus Garantien für abwertungsverdächtige Investments.

Als Vorleistung wurde 2009 von Cerberus eine Kapitalerhöhung verlangt, 260 Millionen Euro. Es wurde mächtig Druck aufgebaut, in der SPÖ wurde die Verstaatlichung der Bawag erwogen. "Feinberg hat um jeden Dollar gefeilscht, es wird ihnen damals auch nicht so gut gegangen sein", sagt ein Involvierter. Am Ende der Debatte stand eine Kapitalerhöhung von 205 Millionen Euro. Cerberus erfand dafür allerdings ein neues Eigentümervehikel in einer Steueroase, denn Fondschef Stephen Feinberg wollte offensichtlich kein eigenes Geld mehr in die Bawag investieren.

Die Mini-Aktionäre Post AG (staatlich), Generali-Versicherung und Wüstenrot probten damals den Aufstand - ohne erkennbaren Erfolg. Und finden sich heute unter anderen in einer Holding wie der "Antoinette Holding" auf Cayman Islands.

Die Kapitalerhöhung wurde - so weit es nachvollziehbar ist - von Investoren gezeichnet, denen Cerberus Anleihen verkaufte. Die Sicherheit dieser Anleihen, etwa Bawag-Aktien (mit einer potenziellen Veränderung der Eigentümerschaft der Bank), macht den heimischen Behörden Sorgen. "Die Bank hat der Aufsicht versprochen, dies transparent und nachvollziehbar zu machen", ist zu hören. Eine Frist dafür gibt es allerdings nicht.

Für einen Bawag-Kunden, der es seit Jahren gewohnt ist, das meist nicht sehr üppige Ersparte auf ein Sparbuch zu legen, mag dies verstörend klingen: Die Bank wurde von Cerberus mit einem sogenannten Hebel gekauft. Investoren sollten später beim Weiterverkauf oder Börsegang ihr Geld schön verzinst wiedersehen.

Die Krise machte dem sinnreichen Plan einen Strich durch die Rechnung. "Bankaktien sind meist nur zu Kursen gefragt, die der Verkäufer als zu niedrig empfindet", sagt ein Bankanalyst. Und: "Eine ganze Bank zu kaufen, interessiert derzeit wenige Investoren. Und die Interessierten haben meist Probleme mit den Aufsichtsbehörden, die wissen wollen, wo das Geld herkommt."

Eigentümerstruktur bereinigen

Wenn Bawag-Chef Byron Haynes im Juni erklärte, dass "Cerberus nicht daran denkt, zu verkaufen", so spiegelt dies die Realität am Markt. Faktum ist aber, dass er - auch unter Cerberus-Eigentümerschaft - vor Kapitalproblemen steht.

Wie berichtet, plant er einen Kahlschlag bei den Mitarbeitern, mindestens 700 sollen gehen - von 4000. Eigenhandel, Firmenkundengeschäft (davon sollen nach internen Mitteilungen 14 Mitarbeiter in der Zentrale übrig bleiben), Teile der Geldsteuerung einer Bank: Alles wird zurückgefahren. Das simple Kalkül: Je weniger Geschäft, desto weniger Kapital ist dafür aufzuwenden.

Denn die 2006 von der Aufsicht gepflogene Gesetzesbuchstaben-Hörigkeit verkehrt sich nun ins Gegenteil: Das Vehikel, das die Kapitalerhöhung von 205 Millionen Euro zustande brachte, befindet sich "außerhalb der Finanzinstitutsgruppe Bawag", also nicht in der Bawag Holding. Im Klartext handelt es sich um eine Cerberus-Briefkastenfirma. Dieses Kapital wird im neuen Regelwerk freilich nicht der Bank zugerechnet.

Cerberus hat dadurch ein Problem: Wenn die 205 Millionen Euro direkt in die Bawag eingezahlt werden, muss der Fonds deren Zeichner offenlegen - und verliert damit womöglich die Kontrollmehrheit über die Bawag. Darüber hinaus wird ein Teil dieser Investoren keine Lust haben, als Aktionär einer österreichischen Bank aufzuscheinen.

Ohne diese Bereinigung würde allerdings die Republik auf den Plan gerufen werden: Sie hat Cerberus für die Bawag PSK 550 Millionen Euro bereitgestellt und wickelt den gesamten Zahlungsverkehr des Bundes über die Bank ab. Fondschef Stephen Feinberg, der vor kurzem in Wien weilte, soll eher frustriert wieder abgeflogen sein.

Nichts Neues am Franz-Jonas-Platz

Die Bawag-Kunden der Filiale Franz-Jonas-Platz in Wien-Floridsdorf, die Monat für Monat einen Teil ihrer Pension aufs Kapitalsparbuch einzahlen, kennen Feinberg nicht, sie wissen nichts von der niederländischen Promontoria Sacher Holding oder der Antoinette Holding Ltd. auf Cayman Island. Aber sie kannten davor auch die Ross Capital von Wolfgang Flöttl nicht. Es hat sich eigentlich nicht viel geändert: Mit ihrem Geld werden dank komplexer Finanzinstrumente immer noch Milliarden-Geschäfte in Steueroasen gemacht.