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Austerität bleibt en vogue

Von Alexander Dworzak

Politik

Keine Vergemeinschaftung von Schulden, einheitliche Bankenabwicklung.


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Berlin/Brüssel. "Aus dem von Angela Merkel verordneten Heilfasten für Europa ist inzwischen Magersucht geworden." Mit der der EU verschriebenen reinen Sparpolitik würden südeuropäische Staaten "immer tiefer in die Rezession" getrieben. Und Deutschlands Kanzlerin habe einen "faustischen Pakt" mit dem britischen Premier David Cameron geschlossen, um die Mittel zu sperren, die für Wachstum nötig seien. SPD-Chef Sigmar Gabriel ließ in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit zur Kritik an Angela Merkels Europakurs aus; die drei Aussagen bilden nur einen kleinen Ausschnitt seiner Attacken ab. Wer Gabriel nun bei der Präsentation des Koalitionsabkommens zwischen SPD, CDU und CSU sah, erlebte allerdings einen in Europafragen streichelweichen Parteivorsitzenden. Als Regierungspartner gilt seine Sorge plötzlich dem Vorhaben, "Europa aus den Händen der Bürokratie zu befreien".

Beispielhaft für die nunmehrige Zahnlosigkeit der SPD ist ihr Umgang mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit. Diese solle "eine Priorität unserer Politik in Europa sein", heißt es auf der Webseite der deutschen Sozialdemokraten zum Koalitionsabkommen - ein hehres und dringend notwendiges Ziel, schließlich ist in der gesamten Eurozone jeder Vierte unter 25 Jahren ohne Beschäftigung. An der Spitze duellieren sich unverändert Griechenland und Spanien um Platz eins; derzeit liegt Griechenland mit einer Jugendarbeitslosenquote von 57,3 Prozent vorne. Vor einer "verlorenen Generation" warnt beispielsweise die Internationale Arbeitsorganisation. Im Koalitionsvertrag steht jedoch lediglich: "Die Mittel, die im Rahmen der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen im nächsten europäischen Haushalt vorgesehen sind, müssen schnellstmöglich, in jedem Fall in den ersten zwei Jahren der kommenden Finanzperiode eingesetzt werden." Das beim EU-Gipfel im Juni beschlossene Maßnahmenpaket gegen Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von sechs Milliarden Euro bezeichnete Gabriel damals als "homöopathische Dosis".

Kosmetische Änderungen

Doch auch in anderen europarelevanten Feldern ist die sozialdemokratische Handschrift im Abkommen höchstens kosmetischer Natur, eine Abkehr vom Austeritätskurs scheint in weiter Ferne. So heißt es: "Wir werden uns dafür einsetzen, die Politik der haushaltspolitischen Konsolidierung und Strukturreformen unter Berücksichtigung der sozialen Verträglichkeit konsequent weiterzuentwickeln." An erster Stelle bei den Krisenrezepten stehen also jeweils konservative Leitlinien - etwa "Wettbewerbsfähigkeit" -, aufgehübscht um eine soziale Komponente.

Auch bei der gemeinschaftlichen Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten hat die SPD den Kürzeren gezogen. Von Eurobonds oder einem Fonds zur Altschuldentilgung ist nunmehr nicht die Rede im Kampf gegen die hohen Staatsschulden bestimmter Euro-Mitgliedsstaaten. Stattdessen heißt es im Koalitionsvertrag lapidar: "Solidarität und Eigenverantwortung gehören zusammen. Dieser Weg wäre mit einer Vergemeinschaftung von Schulden unvereinbar." Um die Verbindlichkeit der Reformen in den Krisenländern zu unterstreichen, planen SPD und Union nun "vertragliche Reformvereinbarungen mit der europäischen Ebene": Diese sind "auf die Erreichung der Ziele Wettbewerbsfähigkeit, solide und nachhaltig tragfähige Finanzen, Wachstum und Beschäftigung verbunden mit Solidarität gerichtet".

Eine linke Handschrift erkennt man beim Willen, die Finanztransaktionssteuer (FTT) umzusetzen. Neu ist das Vorhaben jedoch nicht, denn Angela Merkel hat bereits mehrfach in den vergangenen Jahren ihr Einverständnis signalisiert, wenn sie der damals noch oppositionellen SPD Zugeständnisse machen musste. Auch nun bleibt die Kanzlerin vage, ein Datum für die Umsetzung der FTT fehlt im Koalitionsvertrag, von "zügig" ist dort die Rede.

Schäuble gibt nach

Die Zeit drängt auch bei der Bankenunion, immerhin sollen beim Europäischen Rat ab 19. Dezember wichtige Weichenstellungen zu deren Aufbau beschlossen werden. Bei der Sanierung und Abwicklung von Banken müssen "vorrangig Eigentümer und Bankgläubiger, nicht Steuerzahler herangezogen werden", so die Losung im Koalitionspakt. Spareinlagen bis 100.000 Euro werden weiter nicht angetastet. Anders als von Finanzminister Wolfgang Schäuble gewünscht, wird es wohl eine einheitliche europäische Bankenabwicklungsinstitution geben - und zumindest hier einen Punktsieg für die SPD.