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Australien: Großmachtgehabe im Pazifik

Von Frank Brandmaier und Sid Astbury

Politik

Töne dieser Art ist die Welt sonst eher von "Falken" in Washington gewohnt, bisher aber kaum vom fernen fünften Kontinent: "Wenn ein Staat vor unserer Haustür versagt, gefährdet das unsere eigene Sicherheit", verkündete der australische Regierungschef John Howard unlängst, als er seinen verblüfften Landsleuten Pläne für eine Eingreiftruppe auf den Salomonen-Inseln im Südpazifik offenbarte. "Das Beste, was wir tun können, ist helfend einzugreifen - und zwar jetzt."


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Schnell waren sich Beobachter einig, was der Konservative aus Canberra da erklärt hatte: Nach Jahrzehnten eher gedämpften Interesses an den östlichen Inselnachbarn, macht sich Australien nun daran, den Polizisten im Pazifik zu geben.

Howard selbst räumt ein, dass die Entsendung von bis zu 2.000 Soldaten und Polizisten auf die von Gewalt und Chaos erschütterten Salomonen, rund 2.000 Kilometer vor Australiens Küste, "ein bedeutender Wechsel in der regionalen Politik" sei. Doch sei die Gefahr, dass sich im Sumpf der Anarchie internationale Terroristen, Drogenbanden und Geldwäscher dort einnisten könnten, zu groß. Im Schatten der US-Invasion im Irak macht Außenminister Alexander Downer klar, dass er die Vereinten Nationen für zu träge hält, um auf dem Archipel schnell einzugreifen.

Allerdings: Um nicht als regionaler "Rambo" dazustehen und sich möglicherweise das Etikett des Neokolonialisten anheften zu lassen, will Canberra nur auf Einladung betroffener Staaten das neue Mittel der "kooperativen Intervention" anwenden. Und dann am besten auch eingebettet in einer pazifischen "Koalition der Willigen", wie es bei den Salomonen der Fall ist, die selbst um Hilfe von außen baten.

Dass die Verhältnisse mancherorts im Südpazifik alles andere als paradiesisch sind, steht außer Frage. Auf den Salomonen beherrschen seit Jahren bewaffnete Milizen die Hauptstadt Honiara, Recht und Ordnung sind faktisch zusammengebrochen, die Wirtschaft liegt in Trümmern. Der winzige Inselstaat Nauru, bankrott wie die Salomonen, verkauft per Post Reisepässe auch an Schwerkriminelle. Die russische Mafia wusch dort bevorzugt Geld über Briefkasten-Banken. Und Port Moresby, die Hauptstadt von Papua-Neuguinea, gilt wegen überbordender Kriminalität als einer der gefährlichsten Orte der Region.

Doch sehen australische Experten den neuen Kurs Canberras mit Skepsis. So befürchtet der Politologe Garry Trompf von der Universität in Sydney die "Provokation von Unsicherheit" im Südpazifik durch Intervention unter australischer Führung. Und Helen Hughes vom Zentrum für unabhängige Studien in Sydney wirft Australien vor, an der Lage mancher Inselnation nicht unschuldig zu sein. Denn oft genug habe Canberra korrupte Regierungen mit Hilfsgeldern am Leben erhalten. "Gibt es dort keinen radikalen Richtungswechsel hin zur Schaffung von Arbeitsplätzen, wird die Wiederherstellung von ziviler Ordnung nicht dauerhaft sein", warnt sie. "Australien wird immer tiefer in die Angelegenheiten der Inselstaaten hineingezogen und bald in seiner Rolle als Polizist im Pazifik gehasst."

Für den Testfall Salomonen dürfte Howard derweil die Zustimmung der Australier sicher sein. Zu grausam hatte der Bombenanschlag von Bali vom Oktober 2002, bei dem knapp 90 ihrer Landsleute starben, deutlich gemacht, wie sehr die politische Lage selbst in tausenden von Kilometern entfernten Nachbarländern sie treffen kann.