Warum folgt auf eine vernünftige Idee des Bundeskanzlers zur Flüchtlingskrise nur dröhnendes Schweigen?
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Mehr als 6000 Menschen an einem Tag hat die italienische Kriegsmarine am Montag aus dem Mittelmeer gerettet, vorwiegend Afrikaner. Sie werden aufs Festland verbracht, dort im Regelfall eher leger registriert und erhalten in den meisten Fällen ein paar hundert Euro aus Rom, wenn sie sich schriftlich verpflichten, "Italien binnen einer Woche zu verlassen". Das tun die meisten - und machen sich auf den Weg Richtung Norden, um über die Schweiz oder Tirol nach Deutschland zu ziehen.
Was das mit jener entschlossenen Sicherung der Außengrenzen der EU zu tun hat, die ja jetzt alle führenden Politiker der Union beschwören und geloben, erschließt sich dem Laien nicht so wirklich, aber das ist vermutlich ein eher kleinlicher Einwand. Derartige Szenen sollen sich, wenn es nach dem österreichischen Bundeskanzler geht, freilich nicht endlos wiederholen. Just an jenem Montag, an dem die Italiener tausende Migranten an Land verbrachten, erschien in der "Kleinen Zeitung" ein höchst aufschlussreiches Interview mit Christian Kern. Gefragt, ob Flüchtlinge, die im Meer gerettet werden, gleich wieder zurückgebracht werden sollen, antwortete er: "In sichere Herkunftsländer, ja. Das ist vielleicht nicht immer leicht, aber vertretbar." Darauf hingewiesen, dies gleiche dem "australischen Modell", bestritt er das gar nicht, präzisierte aber: "Wir haben bestimmte Standards einzuhalten. Boote abzudrängen, Leute ihrem Schicksal zu überlassen, Lager zu bauen, wo sich Kinder verstümmeln, das ist mit dem europäischen Wertekanon nicht vereinbar."
Ein grundvernünftiger Vorschlag, der folgerichtig selbst in der SPÖ mit dröhnendem Schweigen quittiert worden ist. Der Beifall für den SPÖ-Chef aus den eigenen Reihen war außerordentlich überschaubar. Denn Flüchtlinge aus Nordafrika erst gar nicht nach Europa zu lassen und stattdessen, womöglich, gleich wieder zurückzuschicken, das galt ja bisher als Hochverrat an der besonders in Wien gepflegten Willkommenskultur. So was hat bisher ja eher Viktor Orbán gefordert.
Es wäre außerordentlich erfreulich, würde der Bundeskanzler diesen Gedanken weiterentwickeln und vor allem auch im Kreise seiner EU-Regierungskollegen vorantreiben. Denn langfristig wird es ohnehin nicht anders gehen, als auch die Seegrenzen der Europäischen Union ähnlich robust abzudichten, wie es nun mit viel Erfolg auf dem Balkan gelungen ist. Spanien hat schon vor Jahren vorgezeigt, dass dies in der Praxis funktioniert. Indem Madrid eng geknüpfte Abkommen mit Marokko und Mauretanien schloss, gelang es wirkungsvoll, illegale Einwanderer schon abzufangen, kaum, dass die Schlepperboote die Küste verlassen hatten, und sie anschließend ohne Gefahr für das Leben der Passagiere wieder an Land zurückzubringen.
Technisch alles machbar und kein gröberes Problem. Einzige Voraussetzung: politischer Wille, das durchzusetzen. Und genau der ist in Europa, vor allem in Deutschland, noch nicht so recht zu sehen. Natürlich wird es schwer werden, die afrikanischen Mittelmeer-Staaten von Marokko bis Ägypten dazu zu bewegen, eng mit der EU zu kooperieren und Schlepperboote unmittelbar nach Beginn ihrer Fahrt zur Umkehr zu bewegen; vom besonderen Problemfall Libyen ganz abgesehen. Nur: Das am Ende zu erreichen ist gleichsam alternativlos. Vielleicht sagt ja auch Frau Merkel dazu demnächst: "Wir schaffen das!"