Vor 65 Jahren begann der Steyr-Puch 500 seine einzigartige Karriere. Er war das erfolgreichste österreichische Automobil aller Zeiten.
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Der Mann war offenbar begeistert. Er setzte sich hin und schrieb einen Brief an die Steyr-Daimler-Puch-Konzernzentrale in Graz: "Der kleine und doch so geräumige Wagen ist ein ideales Fahrzeug und hat mir viel Freude und Schönes gebracht. Wenn er auf den Straßen Österreichs immer häufiger aufscheint, so ist das wohl das beste Qualitätsgutachten." Und ein anderer Käufer lobte "den ruhigen, weichen Lauf", die "hervorragende Straßenlage" und die "besondere Beschleunigungsfähigkeit und vorzügliche Leistung".
Die Rede ist hier nicht von einer "Bonzenschleuder", sondern von einem Kleinwagen, der weltberühmt in Österreich ist.
"Der Steyr-Puch 500", schreibt Martin Krusche im Blog von info-graz.at, "wurde zu einem Stück steirischer Folklore. Er spielte real auf dem (internationalen) Automobilmarkt keine bedeutende Rolle. Aber er war für viele Menschen das erste leistbare richtige Auto. Und er war als Gebrauchtwagen auch für meine Generation noch ein properer ‚Einstiegswagen‘. Der Umstieg vom Moped, der Einstieg ins Auto, das sind Markierungen einer netten Idee vom gesellschaftlichen Aufstieg."
Der Treibstoffverbrauch wurde mit 4,5 bis 5,5 Liter angegeben, das Eigengewicht mit 460 Kilogramm, die Höchstgeschwindigkeit mit 100 km/h. Der Wagen kostete 23.800 Schilling, um rund ein Drittel weniger als ein VW Käfer. "Die hohe Wirtschaftlichkeit soll den Wagen neuen weitesten Kreisen unseres Volkes zuführen, die bisher von der Anschaffung eines Automobiles ausgeschlossen waren", sagte der Puch-Werksdirektor Wilhelm Rösche bei der Präsentation im September 1957.
Mit D wie Dach
Die Karosserie des Fiat 500, vom Turiner Designer Dante Giacoso Mitte der 1950er Jahre entworfen, gehörte damals zu den auffälligsten der Automobilgeschichte. Sie zeigte liebliche Rundungen, bot verhältnismäßig viel Platz und war schon irgendwie ein richtiges Auto - in einer Zeit, in der es noch um sinnvolle sparsame Fortbewegung ging, aber nicht um Bequemlichkeiten.
So richtig perfekt war der steirische Zwillingsbruder des italienischen "Fiat Cinquecento" am Anfang nicht gerade, was aber kaum jemanden störte. So ging etwa die Tacho-Skala, völlig unlogisch, zunächst von rechts nach links und für jedes der drei Schlösser brauchte man einen eigenen Schlüssel. Modelle mit festem Dach bekamen, als es sie nach dem serienmäßigen "Fetzendachl" endlich gab, die kecke Typenbezeichnung 500D - D nicht wie Diesel, sondern wie Dach. Das Licht aus den winzigen Scheinwerfern war bei Dunkelheit auf der Landstraße die pure Herausforderung.
Nach und nach gab es behutsame Verbesserungen. Klimatisierung gab es zum Nachrüsten als Extra und es wurde mit dem exotischen Namen "Tropenkühlung" versehen. Gegen Aufpreis gab es Scheibenwaschanlage und Dachgepäckträger. Ab 1958 konnte man die Seitenfenster runterkurbeln, Zierleisten sorgten für mehr Glitzern. 1958 gab es das "Zwergerl" mit fast 20 PS, ein Sportumbausatz brachte der "Knutschkugel" sogar 27 PS. Für den Wirtschaftsverkehr wurde ein Kombi gebaut - und dafür wurden unter anderen sowohl die Post als auch der ÖAMTC als Großkunden gewonnen. 1959 wurde mit 8.334 Stück der Produktionsrekord erreicht. In seiner Klasse hatte der 500er in Österreich einen Marktanteil von 62 Prozent.
Der Kabarettist Gerhard Bronner schrieb ein Lied für Helmut Qualtinger, in dem der legendäre Wilde mit der Hilde dem Zeitgeist folgte, auf sein Puch-Motorrad verzichtete und sich einen Puch 500 zulegte. Es war die einzige Werbung, die Qualtinger je gemacht hat.
Alpiner Kleinwagen
"Um das Geld eines Puch 500 gab es sonst wo bestenfalls Motorräder. Ein Citroën 2CV, ein Renault 4 waren deutlich teurer, der VW Käfer kostete um ein Drittel mehr, war also eine ganz andere Liga", schreibt Friedrich F. Ehn in seinem Standardwerk "Puch Automobile 1900-1990". Und höchst erstaunlich sei die Wertstabilität:
"Gut erhaltene Puch 500 kosten heute mindestens das Doppelte, eher aber das Dreifache des Neupreises. In den 17 Jahren seiner Existenz, nämlich zwischen 1957 und 1973, erhöhte sich der Grundpreis von 23.800 auf 32.900 Schilling. Dazwischen lagen ein Facelift, die Erfindung der Inflation, eine neue Steuer auf Autos, die sexuelle Revolution, der Mondflug, der Weltmeistertitel von Jochen Rindt, der Beginn einer anderen Welt, irgendwie. Als das ‚Pucherl‘ vorgestellt wurde, waren die Alliierten gerade erst abgezogen. Ein Jahr nach dem Verkauf des letzten fabrikneuen 500ers präsentierte VW seinen Golf."
Als man bei Steyr-Daimler-Puch beschlossen hatte, einen Kleinwagen in eigener Produktion zu fertigen, kam aus Italien diese feine Kleinwagen-Idee daher, und man schloss einen Lizenzvertrag mit Fiat: Die Turiner lieferten die Karosserie, in den Puch-Werken in Graz, wo man sehr erfolgreich Motorräder herstellte, wurde der neue Puch 500 produziert und 1957 auf den Markt gebracht. Ziel des legendären Puch-Konstrukteurs Erich Ledwinka war ein "vollwertiger viersitziger Klein-PKW, passend auch für alpine Straßenverhältnisse".
Der Puch 500 war trotz ähnlicher äußerlicher Erscheinung kein Fiat. Abgesehen von der Karosserie, der Lenkung und der Vorderachse haben Ledwinka und seine Ingenieure das Auto für die österreichischen Bergstraßen fit gemacht. Der Puch war um fünf Kilo leichter und hatte statt eines luftgekühlten Zweizylinder-Reihenmotors einen Boxermotor im Heck. Er hatte größere Reifen, stärkere Bremsen, eine leistungsfähigere Kupplung und viele andere Bauteile aus österreichischer und deutscher Produktion. All das brachte einen niedrigeren Schwerpunkt, mehr Laufruhe und, dank anderer Hinterachse, eine bessere Straßenlage.
Von den fast 60.000 in Graz produzierten Fahrzeugen wurden trotz einschränkender Lizenzklauseln von Fiat auch viele Puch 500 außerhalb von Österreich verkauft. Die meisten kamen nach Deutschland, nur je ein Stück ging nach Japan, Guatemala und in die USA. Der finnische Nutzfahrzeughersteller Suomen, der auch lange im PKW-Import tätig war, hat die Steyr-Puch-Kleinwagen nach Finnland gebracht.
Budapest im Oktober 1956: der Ungarn-Aufstand gegen den Kommunismus. Nach dem Einmarsch der Sowjet-Armee flüchteten Hunderttausende in den Westen und wurden hier freundschaftlich empfangen. Einer davon war Janos "Janci" Puch, ein Großneffe des Gründers der österreichischen Puch-Werke Johann Puch.
Janos heuerte in der Steiermark bei Puch an, wo damals gerade die Weichen für einen spannenden Richtungswechsel gestellt wurden. Und es stellte sich heraus, dass er viel von Autos und von Marketing verstand.
Eine Prise Paprika
So konstruierte er in Italien gemeinsam mit dem Exil-Ungarn Ferenc Alfred Reisner auf einem Puch-500-Chassis das sportliche Coupé IMP, von dem aber nur ungefähr zehn Fahrzeuge gebaut worden sind. Und jedes Auto war anders als das vorherige. Bei den ersten Modellen verwendeten sie Schiebefenster, später Kurbelfenster. Weitere Unterschiede lassen sich bei den Motorhauben, der Größe der Heckscheiben und den Scheinwerfern entdecken.
Da sich der Puch 500 in Österreich gut verkaufte, entschloss man sich, das Auto in erster Linie zu Werbezwecken in ein paar prestigeträchtige Rennen zu schicken. Janos wurde zum Rennleiter des österreichischen "Putsch five hundred"-Teams ernannt. Sein "Gegenspieler" bei Fiat war der Wiener Karl "Carlo" Abarth, der den italienischen Fiat 500 für die Rennen präparierte. Da Abarth im Sternzeichen Skorpion geboren wurde, wählte er diesen als Firmenlogo. In seinem Unternehmen wurden in den 1950er und 1960er Jahren Autos von Fiat, Simca und Alfa Romeo renntauglich gemacht. Rennbegeisterung machte sich beim Publikum breit, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, wo die Puchs auch gleich in den kleineren Tourenwagenklassen mitmischten.
Bei den italienischen Fahrern sprach es sich schnell herum, dass es in Österreich einen schnelleren "Cinquecento" gab, und nun begann das Katz-und-Maus-Spiel: Die Katze musste sich verstecken, denn die Steyr-Daimler-Puch AG war vertraglich gebunden, den Wagen nicht nach Italien zu liefern. Dort jedoch bewies man große Virtuosität im Umgehen von Gesetzen, und so kam man rasch auf gute Ideen, wie man für Rennen zu einem schnellen Puch 500 kommen konnte: Man schmuggelte quasi bei Nacht und Nebel die österreichischen Rennautos über die Südtiroler Grenze nach Italien.
Schneller als Fiat
Insbesondere der Techniker und Rennfahrer Ernesto Prinoth aus St. Ulrich im Südtiroler Grödnertal verstand sich sehr gut mit dem Puch-Motor und setzte ihn mit Erfolg ein. Prinoth nahm mit seinem Wagen, Kennzeichen T 2.974, als erster Steyr-Puch 500 in einem italienischen Rennen teil - am 26. April 1959 am Bergrennen von San Marino. Und er gewann. Kurz danach lässt er alle Fiats auf dem Rundstreckenkurs von Monza hinter sich.
Viele interessieren sich nun für dieses kleine Geschoss und wollen auch eines haben. Aus dem Kreis der Interessenten gelingt es dem Filmregisseur Piercarlo Borghesio, Prinoths Puch zu ergattern. Borghesio steigt ein und hat alle Fiats im Rückspiegel. Auch Giuseppe Lombardi, ein Unternehmer aus Forlì, besorgt sich einen Puch, Kennzeichen T 103.474.
Die Fiat-Piloten mussten sich in der Regel mit Erfolgen bei denjenigen Rennen begnügen, bei denen die Puchs nicht mitfuhren. Das war dem italienischen Nationalstolz aber dann doch zu viel, und man erfand tatsächlich neue Regeln, um die 500er aus Österreich von den Rennen fernzuhalten, sie aus Klassen auszuschließen und ihnen keine Siegesprämien zahlen zu müssen.
Trotzdem brachte es der sympathische Austro-Mythos sogar zu mehreren Klassensiegen bei der Rallye Monte Carlo. Einer der Höhepunkte war sicherlich der Rallye-Europameistertitel des polnischen Fahrers Sobieslaw Zasada in der Gruppe-2-Tourenwagen im Jahr 1966.
Nach dem Ende der Rennsaisonen ging Janos Puch nach Spanien, landete aber schließlich wieder in seiner alten Heimat Ungarn, wo er ein Fachgeschäft eröffnete - für Fahrräder.
Georg Biron, geboren 1958, lebt als Schriftsteller, Reporter, Regisseur und Schauspieler in Wien. Zuletzt ist von ihm erschienen: "Birons Welt. 20 Short Storys von unterwegs" (Wieser, 2022).