Claudia Rapp will soziale und kulturelle Mobilität erforschen und einem breiteren Publikum vermitteln.
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Wien. Ein Preis, ein Jubiläum, eine Premiere. Zu feiern hatte der Wissenschaftsfonds FWF Montagabend in den Wiener Sofiensälen reichlich. In erster Linie zollte die Wissenschaftselite des Landes der diesjährigen Wittgenstein-Preisträgerin, der Byzantinistin Claudia Rapp von der Uni Wien, Anerkennung. Die mit 1,5 Millionen Euro dotierte und damit höchste Wissenschaftsförderauszeichnung des Landes ging damit in ihrer 20-jährigen Geschichte zum fünften Mal an eine Frau. Bedacht wurden auch wieder acht Jungforscher, die einmal mehr in diesem Rahmen in das Start-Programm des FWF aufgenommen wurden. Ihnen stehen in den kommenden Jahren jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro an Forschungsgeldern zur Verfügung.
"Diese Preise sind nicht nur eine prestigeträchtige und breitenwirksame Anerkennung für herausragende Leistungen, sondern auch Basis für neue wertvolle Erkenntnisse im Bereich der Grundlagenforschung", hob Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner hervor, um des Weiteren zu gratulieren: "Die diesjährige Preisträgerin ist ein Beleg für die exzellente Geistes- und Kulturwissenschaft in Österreich."
International anerkannt
"Der Wittgensteinpreis und Start stehen seit 20 Jahren für wissenschaftliche Exzellenz made in Austria, funded by FWF und beweisen eindrucksvoll, welch hohes Potenzial Österreich in der Grundlagenforschung hat", freute sich FWF-Präsidentin Pascale Ehrenfreund über das Jubiläum.
Die 53-jährige Ausgezeichnete ist internatonal anerkannt. Ihre Karriere umspannt drei Jahrzehnte, zwei Kontinente und Anstellungen in fünf Ländern. Erst seit 2011 ist die gebürtige Berlinerin Professorin für Byzantinistik an der Universität Wien. Seit 2012 leitet sie die Abteilung Byzanzforschung am Institut für Mittelalterforschung und 2014 wurde sie Präsidentin der Österreichischen Byzantinischen Gesellschaft. Vor ihrer Wien-Zeit war sie 17 Jahre lang an der University of California in Los Angeles tätig.
Fünfte Frau seit 20 Jahren
"Ich freue mich sehr darüber, alleine schon im Sinne einer Auszeichnung für die Grundlagenforschung und die historischen Geisteswissenschaften", betonte Rapp in einem Interview mit der Austria Presse Agentur. Der Preis werde es ihr ermöglichen, zusammen mit Kollegen in Wien und auf internationaler Basis "der Byzanzforschung eine neue Richtung zu geben". Im Rahmen des Wittgenstein-Projekts will sie sich dem Thema "Mobilität, Mikrostrukturen und persönliche Handlungsspielräume" widmen. Dabei geht es um die Erforschung von Mobilität von Menschen und Objekten, Mobilität von Menschen und Ideen sowie kulturelle Mobilität und soziale Praxis. Die wissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Forschungen sollen auch der Öffentlichkeit vermittelt werden, wie sie betont.
Rapps Forschungsinteresse gilt vor allem der gelebten Realität von sozialen und kulturellen Phänomenen. So beschäftigt sie sich etwa auch mit dem Ritual der Verbrüderung in Byzanz, das seit dem 8. Jahrhundert dokumentiert ist. Einen besonderen Schwerpunkt bildet auch die Handschriftenkunde. Eine Arbeit widmet sich den Palimpsesthandschriften im Katharinenkloster am Sinai. Ausradierte Schriften werden mittels digitaler Methoden wieder lesbar gemacht. Claudia Rapp ist nach Ruth Wodak (1996), Marjori Matzke (1997), Renee Schroeder (2003) und Ulrike Diebold (2013) die fünfte Frau, die den Wittgensteinpreis erhalten hat.
Von Mathematik bis Waldbau
Aus 82 Bewerbungen wurden acht Nachwuchsforscher in das Start-Programm aufgenommen. Dieses ermöglicht ihnen, in den nächsten sechs Jahren finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungen zu führen. Möglich gemacht wurde dies dem Mathematiker Christoph Aistleitner (33), der sich in seinem Projekt "Probabilistische Methoden in Analysis und Zahlentheorie" an der TU Graz mit mathematischen Fragestellungen befasst. Die Informatikerin Ivona Brandic (37) von der TU Wien widmet sich in ihrem Projekt dem Cloud Computing. Der Physiker Marcus Huber (30) wiederum setzt sich am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) mit der Bedeutung von Quanteninformation in der Thermodynamik auseinander. Ebenfalls am IQOQI arbeitet der Physiker Benjamin Peter Lanyon an Quantennetzwerken, bei denen einzelne Atome die Knotenpunkte des Netzes bilden und durch Lichtteilchen verbunden werden. So etwa bei individuellen Computern vernetzt über elektrische Kabel oder auch Satelliten, die über Radiowellen kommunizieren.
Der Physiker Gareth Parkinson (34) wird am Institut für Angewandte Physik der TU Wien versuchen, der Oberflächenwissenschaft näherzukommen und Katalysatoren aus einzelnen Atomen herzustellen. Angesichts schwindender Ressourcen hat die Entwicklung effizienter und umweltfreundlicher Katalysatoren hohe Priorität. Mit Störungen im Waldökosystem in einer sich verändernden Welt, speziell den Auswirkungen des Klimawandels auf ökologische Prozesse, beschäftigt sich der Forstwirt Rupert Seidl (36) am Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur.
Premiere für Weiss-Preis
Die Politikwissenschafterin Kristina Stöckl (37) wird in ihrem Projekt am Institut für die Wissenschaften vom Leben Konflikte etwa um die Gleichstellung von Homosexuellen, Abtreibung und Sterbehilfe in säkularisierten Ländern analysieren. Die Mathematikerin Caroline Uhler (32) widmet sich am Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg Theorie und Anwendung sogenannter "Probalistischer graphischer Modelle".
Erstmals wurde am Montag auch der von der "Dr. Gottfried und Dr. Vera Weiss Wissenschaftsstiftung" finanzierte und vom FWF abgewickelte Weiss-Preis an den Meteorologen Kay Helfricht vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung vergeben.