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Ausverkauf ohne Ende?

Von Andrea Möchel

Wirtschaft

Nach EuGH-Urteil muss Österreich seine Ausverkaufs-Regelung adaptieren.


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Wien. Idealerweise sollten Gerichtsurteile für mehr Rechtssicherheit sorgen. Mitunter bewirken sie freilich genau das Gegenteil. So geschehen nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs EuGH (C-206/11) vom 17. Jänner 2013. Gegenstand des Verfahrens war die aktuelle Handhabung bei Totalabverkäufen im heimischen Handel.

"Alles muss raus": Totalabverkauf muss bewilligt werden.
© Foto: fotolia

Ausgelöst wurde das strittige Verfahren durch einen Tiroler Unternehmer, der auf Plakaten einen "Totalabverkauf" mit den Worten "Alles muss raus" ankündigte. Das Problem: Der Mann hatte verabsäumt, die vorgeschriebene behördliche Bewilligung einzuholen. Denn: Während Saisonschlussverkäufe (Sommer-/Winterschlussverkauf) oder Inventurverkäufe nicht unter die Bewilligungspflicht fallen, sind Totalausverkäufe bei Schließung des Betriebes oder aus anderen Notlagen (Umzug, Geschäftsauflösung) bewilligungspflichtig. Erst wenn eine Bewilligung seitens der Bezirksverwaltungsbehörde erteilt wurde, darf der Ausverkauf auch angekündigt werden. Der Schutzverband gegen den unlauteren Wettbewerb klagte den Tiroler deshalb auf Unterlassung, und der Fall landete letztlich beim Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser wollte vorsorglich klären, ob die österreichische Regelung grundsätzlich der EU-Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken entspricht und richtete ein Vorabentscheidungsersuchen an die europäischen Höchstrichter.

Bleibt die Anmeldepflicht?

"Der EuGH hat in seiner Entscheidung die Bestimmungen über die behördliche Genehmigung von Ausverkäufen als solche nicht gekippt", erläutert Sonja Dürager, Rechtsanwältin in der Wiener Kanzlei bpv Hügel den Spruch des EuGH. "Aber er hat ausgesprochen, dass ein Gericht nicht vorweg von einer unlauteren Geschäftspraxis ausgehen darf, nur weil keine behördliche Genehmigung eingeholt wurde." Vielmehr müsse künftig in jedem Einzelfall geprüft werden, ob tatsächlich unlautere Geschäftspraktiken vorliegen. Die Überprüfung, ob der Anlass für einen Totalabverkauf tatsächlich gegeben ist, wird künftig also erst im Nachhinein erfolgen.

"Daraus zu schließen, dass Ausverkäufe nicht mehr angemeldet werden müssen, ist aus unserer Sicht aber jedenfalls falsch", betont Hannes Seidelberger, Geschäftsführer des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb. "Der EuGH hat im Gegenteil bestätigt, dass ein solches Genehmigungssystem grundsätzlich möglich ist." Tatsächlich räumt der EuGH in seiner Entscheidung ein, dass die Richtlinie einen Spielraum bezüglich der Wahl der nationalen Maßnahmen zulässt.

Bleibt also alles beim Alten? "Dazu müssen wir das Urteil des OGH abwarten", sagt Roman Seeliger, stellvertretender Geschäftsführer der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). "Die Rechtsdurchsetzung für den Schutzverband wird sicher schwieriger, weil wettbewerbswidriges Verhalten nun in jedem Fall individuell nachgewiesen werden muss."

Fällt die Sperrfrist?

Noch ungeklärt ist, ob und welche Auswirkung die EuGH-Entscheidung auf die derzeit geltenden Ausverkaufs-Sperrfristen hat. In der Zeit von 15. November bis Weihnachten sowie in der vorletzten Woche vor Ostern bis Pfingsten sind hierzulande nämlich jegliche Ausverkäufe untersagt. "Aufgrund dieser Entscheidung kann nicht gesagt werden, ob die Sperrfristen europarechtswidrig sind oder nicht, weil sich der EuGH damit nicht beschäftigt hat", meint Seidelberger.

Kritischer sieht man das in der WKO. "Ob die Sperrfristen bleiben oder nicht, ist letztlich eine politische Entscheidung", sagt Seeliger. "Für mich steht fest, wer gegen die Sperrfrist verstößt, hat nach dem EuGH-Spruch nicht per se eine Wettbewerbswidrigkeit begangen, sondern ,nur‘ eine Formvorschrift verletzt."

In der Wirtschaftskammer arbeitet man bereits an einer "österreichischen Lösung" des Problems. "Wir könnten uns einen Kompromissvorschlag vorstellen", sagt Seeliger: "So könnte künftig die Ostersperrfrist wegfallen und im Gegenzug die Weihnachtssperrfrist bis 31. Dezember verlängert werden."