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Ausweg aus der politischen Sackgasse gesucht

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

Mit innerstaatlichen Streitigkeiten verhindert Bosnien-Herzegowina seine weitere Annäherung an die EU.


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Sarajevo/Brüssel. Es könnte wie eine diplomatische Offensive aussehen. Doch ihre Aussichten auf Erfolg sind gering. Die Lage in Bosnien-Herzegowina, das in diesen Tagen gleich mehrere EU-Außenminister besuchen, macht nämlich eine Annäherung des Landes an die Union schwierig. Dennoch wollen sowohl der österreichische Ressortleiter Sebastian Kurz als auch seine Amtskollegen aus Ungarn, Großbritannien und Kroatien bei ihren Visiten Hilfe bei der Überwindung des Stillstands anbieten. Denn seit Jahren ist keine Bewegung Richtung Beitrittsverhandlungen zu sehen.

Diese wurden Sarajevo immerhin in Aussicht gestellt. Doch noch hat Bosnien-Herzegowina nicht einmal den Status eines Beitrittskandidaten, wie er den anderen Westbalkan-Ländern Mazedonien, Montenegro und Serbien gewährt wurde. Selbst wichtige Vorarbeiten dazu sind noch nicht abgeschlossen: Ein umfassendes Annäherungsabkommen ist ausverhandelt, aber nicht in Kraft.

Gescheitert ist dies bisher in erster Linie an innerbosnischen Streitigkeiten. Dem Land wurde nach dem Zerfall Jugoslawiens in internationalen Verhandlungen eine komplizierte Staatsstruktur verpasst, die eine Klammer zwischen den beiden Teilen bilden soll. Doch die Kluft zwischen der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Serbischen Republik mit der jeweils eigenen Verwaltung und Politik bleibt tief. Eine - von der EU geforderte - Verfassungsreform wird hinausgeschoben, und ein wesentliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte harrt seit Jahren seiner Umsetzung. Es ist ein Spruch zur Abschaffung der Diskriminierung von Minderheiten in Staatsinstitutionen, in denen bisher lediglich Bosniaken, Serben und Kroaten vertreten sein müssen. Die EU pocht auf ein neues Gesetz; Erweiterungskommissar Stefan Füle bezeichnete es als "Schande", dass die bosnischen Politiker keine Einigung dazu erzielen können. Nach mehreren Verhandlungsrunden gab er sein Engagement auf. Es sei nun an den Politikern des Landes, Verantwortung zu übernehmen.

Ähnlich äußerte sich die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, bei ihrem Bosnien-Besuch vor zwei Wochen. Die politische Führung sei ebenfalls für die Lösung der Probleme der Bürger zuständig, die sich Arbeit, ein funktionierendes Sozialsystem und Rechtsstaatlichkeit wünschen. Das Verlangen danach hat Anfang Februar Menschen in mehreren Städten zu Protesten veranlasst, die teils in Gewaltausbrüchen endeten. Einer der Gründe dafür ist die Jobmisere: Jeder vierte Bosnier hat keine Arbeit, von den Jugendlichen ist mehr als die Hälfte ohne Beschäftigung.

Den Bericht über ihre Visite stellte Ashton in der Vorwoche bei einer Sitzung der EU-Außenminister vor. Die Debatte über die Krise in der Ukraine und mögliche Sanktionen gegen Russland überschattete bei dem Treffen allerdings alle anderen Themen. Beim Vorgehen in Bosnien scheinen die EU-Politiker aber sowieso ratlos. Die Kommission setzt auf eine Mischung aus politischem Druck und finanziellen Anreizen. Wegen des Verfassungsstreits strich sie im Vorjahr Hilfen in Höhe von 45 Millionen Euro. Umgekehrt stellte Füle eine Unterstützung im Wert von hunderten Millionen Euro für ein Wirtschafts-Reformprogramm in Aussicht.

Mögliche darüber hinaus gehende Schritte stoßen bei einigen EU-Staaten jedoch auf wenig Sympathie. Während Österreich noch vor einiger Zeit zusätzlichen Druck verlangte, wollen Länder wie Deutschland oder Frankreich zunächst einmal weitere Entwicklungen in Bosnien abwarten. Eine neue EU-Strategie für das Balkan-Land, wie es vor kurzem in Sarajevo gefordert wurde, ist so derzeit nicht in Sicht.