Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 21 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Dem Gesundheitssystem droht eine Kostenexplosion. Wenn wir heute nicht gegensteuern, werden den Preis die bezahlen müssen, die am meisten auf dessen Leistungen angewiesen sind - die sozial Schwachen.
In der Problemdiagnose sind sich alle einig: Wenn wir nichts ändern, dann sind wir spätestens 2006 bei einem Abgang der Krankenkassen in der Höhe von 868 Millionen Euro - mit rasant steigender Tendenz. Bei gleichbleibendem Kostenwachstum würde das Gesundheitssystem in 20 Jahren 25 Prozent des BIP verschlingen.
Auch über die Zielsetzung der Gesundheitspolitik sind sich alle Politiker einig: Wir wollen weiterhin die beste medizinische Versorgung in Österreich. Rationierung von Gesundheitsleistungen kommt für Österreich nicht in Frage. Bei den Empfehlungen zu einer Therapie für das Gesundheitssystem beginnen aber die gegenseitigen Schuldzuweisungen: Die Krankenkassen bemängeln die Verschreibungspraktiken von Medikamenten durch die Ärzte. Die Apotheker klagen über die geringen Handelsspannen und fürchten die Konkurrenz durch das Internet. Die Pharmaindustrie beschwert sich über zu geringe Preise in Relation zu ihren Forschungs- und Entwicklungskosten. Die Ärzte fürchten um Umsatz und die Beitragszahler stöhnen unter der Beitragslast. Und die Opposition kritisiert die Regierung, obwohl die SPÖ 30 Jahre Zeit gehabt hätte, der Kostenentwicklung gegenzusteuern.
Man macht es sich wieder einmal sehr einfach und ortet das höchste Einsparungspotenzial bei den Arzneimitteln. Schuld an der Kostenexplosion seien die bösen, geldgierigen Pharmakonzerne. Der Anteil der Medikamentenkosten liegt bei 20 Prozent. Mit rund 2,2 Mrd. Euro sicher kein zu vernachlässigender Faktor. Das große Einsparungspotenzial liegt aber woanders: Fast zwei Drittel der Gesundheitskosten entsteht in den Spitälern.
An den Schnittstellen zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich versickert viel Geld. Der Vorarlberger Gesundheitslandesrat Bischof hat hier mit der Entwicklung des Vorarlberger Landesgesundheitsfonds Pionierarbeit geleistet. Der Hintergrund: Spitalsversorgung und niedergelassene Versorgung haben sich in den letzten Jahren völlig getrennt voneinander entwickelt. Es gibt keine gemeinsame Planung und Zielsetzung. Das zweite Hauptproblem ist das duale Finanzierungssystem. Einerseits werden Leistungen aus Beiträgen der Sozialversicherung, der Rest aus Steuermitteln finanziert. Ineffizienzen an den Schnittstellen sind die Folge. Die Vernetzung des Gesundheitswesens auf Landesebene und die Finanzierung aus einem Topf wird der wesentlichste Schritt einer umfassenden Gesundheitsreform sein. Laut Experten liegt hier ein Sparpotenzial von 20 Prozent.
Über Sinn und Unsinn von Selbstbehalten wurde viel diskutiert. Während ihr Finanzierungseffekt unwidersprochen bleibt, zweifeln viele am Lenkungseffekt. Selbstbehalte sind aber ein wichtiges Instrument, um den Patienten einzubinden und sein Kostenbewusstsein zu schärfen. Was nichts kostet, ist nichts wert. Allerdings sollte man aus Fehlern (Stichwort: Ambulanzgebühr) lernen.
Viele hegen die Hoffnung, dass mehr Prävention zu weniger Kosten führt. Allen Studien zufolge ist diese Hoffnung aber nicht berechtigt. Statistisch betrachtet fallen nämlich die meisten Kosten erst am Lebensende an; das heißt, auch wenn man immer gesund gelebt hat, kommt für die meisten der Zeitpunkt, an dem wir alt und krank im Spital landen. Keine besonders schöne Vorstellung. Nichtsdestotrotz sind Vorsorgeprogramme aber für eine hohe Lebensqualität sehr wichtig und deshalb zu forcieren.
Die Gesundheitsdiskussion wird vor allem unter dem Kostenaspekt geführt. Dadurch übersieht man sehr leicht, dass Gesundheit ein riesiger Markt ist. Die Wellness- und Fitnessangebote erleben ein exponentielles Wachstum. Experten schätzen den österreichischen Wellnessmarkt bereits jetzt auf mehr als 5 Milliarden Euro im Jahr. Die Gesundheitsberufe sind hier besonders gefordert. Deren wichtigsten Finanzierungsquellen, die Krankenkassen, richten ihre Honorarpolitik zunehmend restriktiv aus. Daneben entsteht aber ein riesiger privater Markt. Sich hier rechtzeitig zu positionieren, ist eine enorme Chance - nicht zuletzt für den Kunden, den Patienten.
Karlheinz Kopf ist VP-Abgeordneter und Generalsekretär des Wirtschaftsbundes