Peking verspricht Investitionen in Infrastruktur von Griechenland bis nach Ungarn.
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Peking/Bukarest. Schon wieder ein Rekord: 83 Millionen Chinesen reisten 2012 ins Ausland, in diesem Jahr sollen es schon 94 Millionen sein. Damit haben sie die Deutschen als bisherige Reiseweltmeister verdrängt, und im Gegensatz zu Letzteren geben sie auf ihren Reisen deutlich mehr Geld aus. Auch der chinesische Premierminister Li Keqiang ist dieser Tage wieder unterwegs, und seine Reisekasse ist ebenfalls prall gefüllt: Am Montag traf er zu einem dreitägigen Besuch in der rumänischen Hauptstadt Bukarest ein, wo am Dienstag das dritte Gipfeltreffen zwischen China und Osteuropa stattfand. In einem Gastbeitrag in der rumänischen Tageszeitung "Adevarul" schrieb Li zuletzt, China würde für die Länder Ost-Mitteleuropas einen Kreditrahmen von 10 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen, um dort den Ausbau der Infrastruktur zu fördern. Im Gegenzug erhoffe sich China angesichts des steigenden Bedarfs durch die wachsende Urbanisierung verstärkte Lebensmittelimporte aus Osteuropa.
Unerwähnt ließ der chinesische Premier eine lange Wunschliste mit milliardenschweren Projekten, die auf dem Gipfel von 16 Regierungschefs aus Mittel- und Osteuropa sowie 1000 Vertretern aus der Wirtschaft abgesegnet werden soll. Nichts schrieb er über den politischen und wirtschaftlichen Einfluss, den sich Peking mit der jüngsten Charmeoffensive nun auch in Osteuropa sichern will. Denn lange Zeit sah es so aus, als ob der chinesische Drache keinen Appetit auf die Region hätte - noch 2010 zählte China in keinem einzigen osteuropäischen Land zu den zwanzig größten ausländischen Investoren. Offensichtlich galten westeuropäische Firmen mit ihren etablierten Marken und dem technischen Know-how als attraktiver. Doch mit den auf dem Dritten Plenum der Kommunistischen Partei beschlossenen Wirtschaftsreformen scheint sich das Blatt nun zu wenden. Neue Auslandsinvestitionen werden als Schlüssel zu mehr Wachstum gesehen, und somit kommen nun auch jene Länder zum Zug, die bisher in der zweiten Reihe standen.
China als lachender Dritter im Streit EU-Russland?
Das Interesse Chinas scheint zwar vordergründig wirtschaftlicher Natur zu sein, politisch gesehen ist der Zeitpunkt des Gipfels jedoch heikel: Aus den aktuellen Spannungen zwischen der Europäischen Union und Russland, die durch eine mögliche EU-Annäherung der früheren Sowjetrepubliken Ukraine, Moldawien oder Georgien befeuert werden, kann China durchaus Vorteile schlagen - als Alternative zur EU beziehungsweise der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin vorangetriebenen Zollunion. EU-Handelskommissar Karel de Gucht betrachtete die chinesischen Vorstöße in Europa zuletzt mit Stirnrunzeln und sagte beim EU-China-Gipfel vergangene Woche, China spiele die europäischen Staaten gegeneinander aus: "Wir haben die Pflicht, unsere Interessen zu verteidigen."
Allerdings scheint der chinesische Premier Li den Braten bereits gerochen zu haben. In seinem "Adevarul"-Kommentar beeilte er sich vorsorglich zu versichern, dass sein Land die EU-Beitrittsbestrebungen aller Länder aus Osteuropa unterstützen würde, weil dies auch eine "gesunde Entwicklung" der Beziehungen Chinas zur EU fördere.
Sein rumänischer Gastgeber Victor Ponta zeigte sich einstweilen hocherfreut über die chinesischen Investitionsabsichten - immerhin besuchte erstmals seit 19 Jahren wieder ein Spitzenpolitiker aus Fernost sein Land. Der Regierungschef sprach daher von einem "historischen Besuch" und betonte, Rumänien wolle "der beste Freund Chinas" in der Region werden. Konkret wünschte er sich den Bau einer Schnell-Eisenbahnlinie in Rumänien mit Hilfe aus Peking. Li wiederum sagte, Rumänien sei ein "Brückenkopf" zur Zusammenarbeit zwischen China und Mittel-Europa.
Beteiligung an Eisenhahn zwischen Ungarn und Serbien
Südosteuropa ist für China tatsächlich die ideale Zutrittsschleuse in den EU-Raum: Die Lohnkosten sind gering, der Investitionsbedarf ist hoch und zum Teil bestehen historisch sehr gute Beziehungen Chinas zu einzelnen Ländern Ost- und Südosteuropas. So könnte China auch von einer weiteren Integration des Westbalkan profitieren.
Besonderes Interesse Chinas gilt dem Ausbau des Schienennetzes in Südosteuropa. China wird sich am Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Serbien und dem EU-Land Ungarn beteiligen, sagte der chinesische Premier Li Kequiang nach seinem Treffen mit den Premierministern Ungarns und Serbiens. Über die geplante Investitionssumme wurde indes noch nichts bekannt.
Willkommene Investitionen aus dem Reich der Mitte
Für die 16 MOE-Staaten, die an dem Forum teilnehmen - Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn - geht es vor allem um Verträge in den Bereichen Energie, Export und Kultur, um den Ausbau von Atom-, Kohle- und Wasserkraftwerken und die Förderung der Windenergie.
Willkommen sind die chinesischen Investitionen vor allem, um die jeweiligen Volkswirtschaften wettbewerbsfähiger zu machen und die Folgen der globalen Wirtschaftskrise zu überwinden. Die Erwartungen sind groß: Zwar ist das Handelsvolumen zwischen China und den 16 früheren kommunistischen Staaten in der letzten Dekade von drei Milliarden auf über 40 Milliarden Dollar angestiegen, doch insgesamt entspricht das gerade mal dem Anteil zwischen China und Italien. Währenddessen nutzen Chinas Staatskonzerne Europas Schwäche und weiten ihren Einfluss aus: Sie investieren gezielt in Sektoren wie Maschinenbau, Automobil, Umwelt oder Gesundheit; diesen Schlüsselbranchen räumt Chinas Führung in ihrem neuen Fünfjahresplan oberste Priorität ein. Vor allem Deutschland steht in der Gunst der Investoren ganz weit oben, während Österreich nach wie vor als unentdecktes Niemandsland gilt - die Shoppingtour der Chinesen verläuft derzeit jedenfalls exakt an den rot-weiß-roten Grenzen vorbei.