VW-Konzern setzt auf "klassischen" Autohandel - Internet nur für Info.
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Wien. Der Autohandel steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen: Stagnierende oder schrumpfende Nachfrage in gesättigten Märkten und neue Vertriebsformen könnten die Zahl der klassischen Autohäuser in den kommenden Jahren um mehr als ein Drittel reduzieren, so eine aktuelle Studie der Beratungsgesellschaft PwC für Deutschland. In Österreich dürfte es aufgrund anderer Strukturen nicht ganz so schlimm kommen, hofft die heimische Branche. Aber auch hierzulande werden dem klassischen Autohandel bis 2020 - neben dem bereits gängigen Flottenvertrieb an Großkunden - auch der Online-Direktvertrieb und - vor allem in Großstädten wie Wien - das Car-Sharing immer stärker zusetzen - muss der Autoverkäufer zum Mobilitätsdienstleister umgeschult werden?
Pkw-Markt schrumpft
Nach Hochrechnungen der Porsche Holding Salzburg - größter Autohändler Europas - gibt der heimische Markt für neue Pkw heuer um fast sechs Prozent auf rund 317.000 Stück nach. Die Porsche Holding (PHS) selbst - sie vertreibt die Marken des VW-Konzerns in 22 Ländern - meldete für Österreich trotz leicht auf 114.000 gesunkener Stückzahl das Halten des Vorjahres-Rekord-Marktanteils von gut 36 Prozent.
Trotz allem sei 2013 das sechstbeste Autojahr in Österreichs Geschichte, gibt man zu bedenken. Die Marktsituation sei dank einer "soliden gesamtwirtschaftlichen Situation" durchaus stabil, der Allradmarkt und die Kompakt-SUV-Klasse seien sogar stark im Wachsen. Auch für kommendes Jahr erwartet man "eine stabile Seitwärtsbewegung bei den Marktverhältnissen am Pkw-Gesamtmarkt" - die Donnerstag beschlossene Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVa) sieht man aber äußerst kritisch.
International geht die PHS davon aus, ihr Allzeithoch beim Absatz aus dem Vorjahr - fast 590.000 Neuwagen - heuer zu halten. Aber nur dank der Erschließung neuer Märkte. Einbrüche vor allem in Osteuropa glich die PHS mit neu übernommenen Märkten in Südamerika - Chile, Kolumbien - und auch den Gang nach Tschechien aus. Ohne diese neuen Märkte hätte es ein Gesamt-Minus gegeben, wird eingeräumt. Konkrete Zahlen wollte PHS-Geschäftsleitungssprecher Alain Favey nicht nennen, er sprach vor Journalisten in Wien von einer "Konsolidierung auf Rekordniveau". Der Umsatz dürfte demnach in der Höhe der Vorjahreswerte zu liegen kommen: Das waren in Österreich 5,2 Milliarden Euro, im CEE-Raum 4,2 Milliarden Euro und insgesamt weltweit 15,2 Milliarden Euro.
Per Klick zum Neuwagen?
Einen Neuwagen im Internet bestellen wie Bücher oder Schuhe? Klassische Autohändler glauben nicht wirklich daran: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ein neues Auto kauft, ohne darin gesessen zu haben", ist die typische Reaktion.
Doch vieles deutet darauf hin: Autokäufe werden immer häufiger im Netz abgewickelt, besonders allerdings derzeit noch bei Gebrauchtwagen. Aber auch Neuwagenkäufer informieren sich zunehmend im Netz - auch wenn sie in der Regel noch über Vermittler an klassische Autohändler weitergeleitet werden. "Wir gehen davon aus, dass über diesen Kanal derzeit in Deutschland 40.000 Neuwagen pro Jahr online verkauft werden - mit steigender Tendenz", heißt es etwa bei der Universität Duisburg-Essen.
In Wien stieg zuletzt die Mediengruppe Österreich mit ihrem Online-Netzwerk oe24.at beim Autohandel-Portal driveme.at ein: Das Portal ging unter www.meinauto24.at im Oktober online und umfasst derzeit Angebote zu knapp 40.000 Gebrauchtwagen von 600 Händlern. Schon 2014 soll das Angebot auch Neuwagen erfassen. Und je mehr die Käufer ins Netz ziehen, desto größer wird der Druck auf die Autohändler: Wenn der Online-Handel zunimmt, funktioniert das klassische Vertriebssystem nicht mehr: Ein Problem ist etwa, dass die Hersteller online häufig höhere Rabatte gewähren.
Und: Wenn nur noch der Kaufvertrag im Autohaus unterzeichnet wird, sinkt die Kundenbindung und damit die Chance, dass der Käufer sich auch für Reparaturen und Inspektionen an den Händler wendet. Dabei wirft das Dienstleistungsgeschäft weitaus höhere Margen ab als der reine Autoverkauf - der bringe nur Renditen von 1,5 bis 2 Prozent, "zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig", wie kürzlich der Wiener Mazda-Händler und Gremialvorsteher Burkhard Ernst meinte.
Zwar räumt Vavey ein, dass bereits drei Viertel aller Gebrauchtwagenkäufer und zwei Drittel der Neuwagenkäufer vor Kaufabschluss im Internet recherchieren: "900.000 Besucher monatlich verzeichnen die Marken des VW-Konzerns auf ihren Webseiten in Osterreich." Aber: "Das Internet dient bei uns lediglich als Stärkung des Handels bei der Bereitstellung von Informationen. Die Probefahrt und der Kaufabschluss erfolgen weiterhin beim Händler." Man glaube an den klassischen Autohandel - deshalb investiere man auch weiter kräftig in diesen Bereich: Allein in Österreich heuer 80 Millionen Euro.
Car-Sharing-Modell geplant
Dennoch gebe es auch seitens der Porsche Holding Pläne für ein Car-Sharing-Modell. Die seien zwar "noch nicht konkret, aber wir arbeiten aktiv daran". Man führe Gespräche sowohl mit dem VW-Konzern als auch "mit mehreren österreichischen Städten" - welche konkret, verriet Vavey nicht. Vorstellbar sei der Einsatz einer Palette verschiedener Autos - darunter auch Elektro-Modelle.
In der Bundeshauptstadt hatte zuletzt die Daimler-Tochter Car2Go ihre Smart-Flotte um weitere 100 auf 700 Stück aufgestockt und nach kanpp zwei Jahren bereits mehr als 60.000 registrierte Nutzer gemeldet.
Im kommenden Jahr dürfte auch "DriveNow", ein Joint Venture von BMW und dem Autoverleiher Sixt, starten. Man verhandle mit der Gemeinde Wien schon über die Parkmöglichkeiten, wurde kürzlich bestätigt.