Zum Hauptinhalt springen

Automaten statt Sonntagsöffnung

Von Helene Kurz und Franz Steinbauer

Wirtschaft
Rund um die Uhr Säfte, Gulasch, Brot, Nudeln und Eier einkaufen. Steinbauer

Auch Tankstellen und Bahnhöfe als letzte Rettung. | Generelle Sonntagsöffnung ist nicht in Sichtweite. | Wien. Es ist Sonntag in der Früh, die Milch ist sauer geworden, der Zucker ausgegangen und der hilfsbereite Nachbar nicht zu Hause.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Erster Gedanke: schnell zur Tankstelle um die Ecke oder zum Geschäft für Reiseproviant am Bahnhof. Wer Glück hat, kann zu einem Warenautomaten in der Nähe gehen. So betreibt etwa Billa in der Schlachthausgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk einen solchen. Dort kann man sich rund um die Uhr zu Supermarktpreisen mit Kaffee, Milch, Joghurt und Sandwiches versorgen.

Bisher gibt es von der zur Rewe-Gruppe gehörenden Supermarktkette Billa nur drei Automaten in ganz Österreich. An eine Ausweitung sei nicht gedacht, sagt Rewe Austria-Pressesprecherin Corinna Tinkler. "Auch ein Automat hat seine Tücken", führt sie als Argument an. Vor allem wegen der Frischware müsse der Automat ständig von den Filialleitern gewartet werden. Denn selbst ein stummer Diener brauche Personal.

Die Billa-Geräte wurden 1999 in Betrieb genommen und haben jeweils 200 Artikel zur Auswahl. Der Automat in der Schlachthausgasse wurde laut Tinkler wegen des großen Einzugsgebietes aufgestellt, jener in der SCS speziell für die Kinobesucher. Das dritte Gerät steht in der High-Tech-Filiale von Billa in Purkersdorf im Wienerwald.

Potenzial für 60 Automaten vorhanden

Während Billa seine Automatenschiene nicht ausweiten will, ortet Helmut Öhlknecht, Bereichsleiter der Convenience-Sparte des Großhändlers und Gastronomiedienstleiters Kastner, ein Potenzial von 60 Automaten in Österreich. Aber die Aufstellung neuer Geräte müsse wohl überlegt werden: Man brauche eine Mindestaufstellfläche von rund 20 Quadratmetern und einen hoch frequentierten Standort. Außerdem koste ein Verkaufsautomat mit Kühlzelle rund 150.000 Euro, so Öhlknecht.

Der Großhändler und Gastronomiedienstleiter Kastner eröffnete im Jahr 1999 einen Selbstbedienungsautomaten unter der eingetragenen Marke "Shop24" in der U-Bahn-Station Karlsplatz in Wien. Die Preise der 150 bis 200 Waren liegen zwischen dem Supermarkt- und Tankstellenniveau. Das Sortiment ist vergleichbar mit dem von Tankstellenshops. Angeboten werden Getränke, Süßwaren, Mehl, Öl, Butter, Brot, Fertiggerichte, Thunfisch, Tiernahrung und Hygieneartikel.

Die meisten der in Österreich aufgestellten Automaten spucken jedoch lediglich Snacks und Getränke aus. Rund 76.000 so genannte Vending-Automaten gibt es hierzulande, sagt Johann Wieland, Präsident der Österreichischen Verkaufsautomaten Vereinigung. Die gesamte Branche setzte laut Wieland mit Heiß- und Kaltgetränken, Süßwaren und diversen Snacks im Jahr 2004 rund 300 Mio. Euro um.

Mehr Frischware in den Tankstellenshops

Wer keinen Automaten in der Nähe hat, dem bleiben als bequeme, aber teurere Alternativen noch die Tankstellen. Dick im Geschäft ist etwa die OMV mit ihren mehr als 180 Viva-Tankstellenshops. Die Anzahl soll in den nächsten Jahren auf 200 erhöht werden, sagt Unternehmenssprecher Thomas Huemer. Einige Viva-Märkte der OMV haben sogar 24 Stunden am Tag geöffnet. Allein in Wien sind es sechs von zwanzig Shops, die jeweils rund 1800 Artikel im Sortiment haben. Waren des täglichen Bedarfs, frische Snacks, Obst, aber auch Spielsachen verkaufen sich gut. "An Sonn- und Feiertagen sehen wir vor allem verstärkte Nachfrage nach frischem Gebäck", stellt Huemer fest.

"Das Warenangebot der Tankstellenshops hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert", weiß Helmut Öhlknecht, dessen Firma auch Tankstellen beliefert. Die Shops haben vielerorts die Funktion eines Nahversorgers übernommen.

Als letzte Rettung bieten sich oftmals auch größere Bahnhöfe an, um sich außerhalb der regulären Ladenöffnungszeiten mit Lebensmitteln zu versorgen. Die auf Reiseproviant spezialisierte Ladenkette Okay besteht seit 1956 und hat sechs Filialen in ganz Österreich, erzählt Prokurist Andreas Walter. Die Mini-Supermärkte haben jeweils weniger als 80 Quadratmeter. Deshalb fallen sie unter eine Sonderregelung und dürfen am Sonntag geöffnet haben. Walter erachtet das Projekt einer generellen Sonntagsöffnung für utopisch. Wer überlebt, wenn alle am Sonntag aufsperren, "wird dann der Markt entscheiden", sagt Walter.

Tourismuszonen ein Dauerthema in Wien

Eine generelle Sonntagsöffnung ist laut der Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, Brigitte Jank, in Wien nach wie vor kein Thema. Grundsätzlich gehe es in der aktuellen Diskussion nicht um eine allgemeine Öffnung, sondern um die Einrichtung von Tourismuszonen.

Allerdings gestaltet sich die Definition dieser Zonen aufgrund der Struktur des Ballungsraums Wien problematisch. Die Sonntagsöffnung in gewissen Straßenzügen kann durch die Stadt Wien genehmigt werden, falls ein touristischer Bedarf vorliegt. Vor allem eine Tourismuszone für den ersten Wiener Gemeindebezirk wurde bereits öfter diskutiert.

Eine erste Gesprächsrunde von Vertretern des Handels, des Tourismus und der Gewerkschaften fand im Dezember statt, allerdings ohne Einigung. Nun soll eine Umfrage unter den Geschäftsleuten und Konsumenten die Diskussion wieder in Schwung bringen. Die Wiener Wirtschaftskammer hofft, dass die Ergebnisse der Studie im Frühjahr vorliegen und es zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung kommt. Und das hoffen wahrscheinlich auch all jene Vergesslichen, die am Sonntag ohne Milch und Zucker dastehen.