Expertenpapier zu Pensionen sorgt in der Regierung für Aufregung.
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Wien. Immer, wenn eine Fristsetzung für ein bestimmtes Thema im Raum steht, beginnt es im Regierungsgebälk zu knirschen. Das ist so, ehe eine Steuerreform beschlossen wird oder man sich auf eine Bildungsreform einigt. Ende Februar will die Regierung einen Vorschlag zur Sicherung des Pensionssystems unterbreiten. Kaum hatte man diesen Termin fixiert, vergeht keine Woche, in der nicht ein ÖVP-Vertreter mit Ideen vorprescht. Nun hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) Experten mit der Entwicklung von Vorschlägen beauftragt.
Pensionsautomatismus und Bundeszuschuss einfrieren
Am Mittwoch sickerten vor Beginn der Ministerratssitzung Details aus diesem Expertenpapier durch: Das gesetzliche Pensionsalter von 65 an die Lebenserwartung koppeln - da diese steigt würde mittelfristig auch das Pensionsalter über 65 Jahre steigen, ebenso die Altersgrenzen für Frühpensionen. Den Bundeszuschuss zu den Pensionen betraglich fixieren, also einfrieren - der Ausgleichs-Mechanismus würde in diesem Fall über die jährlichen Pensionsanpassungen und die Aufwertung der Beiträge am Pensionskonto funktionieren. Und wieder wird eine raschere Anhebung des Frauenpensionsantrittsalters gefordert.
"Auf Expertenpapiere reagiere ich langsam allergisch." Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) war sichtlich verärgert über Schellings Eindringen in seinen Bereich. "Wenn das stimmt, was da kolportiert wird und wenn ich das ernst nehmen soll, dann heißt das: keine Pensionserhöhungen in der Zukunft. Ob das der Koalitionspartner will, bin ich mir nicht sicher", sagte Hundstorfer am Rande des Ministerrats.
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) versuchten etwas Luft aus der Debatte zu nehmen. "Das ist ein Expertenbericht, der nichts sensationell Neues hat", beruhigte Mitterlehner und ergänzte: "Wir werden das innerparteilich bewerten, aber das ist nicht unsere Gesamtlinie, sondern das wird noch ergänzt."
Kanzler Faymann zog sich auf die SPÖ-Devise zurück, dass die Maßnahmen ohnehin eingeleitet seien und schon Erfolg zeitigten.
Aber auch der Auftraggeber für das Papier, Finanzminister Schelling, wollte für das Produkt vorerst nicht in den Ring steigen. Da stünden auch "Dinge drin, von denen ich meine, dass sie nicht zielführend sind".
Der Grat, entlang dessen SPÖ und ÖVP die Pensionsdebatte seit Jahrzehnten führen, ist unverändert: Die SPÖ sieht das Pensionssystem gesichert, wenn ständig an kleinen Rädchen gedreht wird und so die Differenz zwischen Einzahlungen und Auszahlungen nicht zu weit auseinanderdriftet. Große Einschnitte sind ihre Sache nicht. Am Ende ist es eine politische Entscheidung, wofür der Staat Steuergeld einsetzt. Die ÖVP hingegen will möglichst bei den Staatsausgaben bremsen und dafür Eigenverantwortung fördern - das führt bei den Pensionen zwangsläufig zu geringeren Pensionen und mehr Eigenvorsorge.
Frauen - früher oderspäter in Pension
Was die raschere Angleichung des Frauenpensionsalters betrifft, so ist das eine Maßnahme, die vor allem gut ausgebildete und gut verdienende Frauen bevorzugt. Am Ende des Berufslebens stehen meist die besten Einkommensjahre. Für Frauen verkürzen sich diese gegenüber den Männern um fünf Jahre. Das ergibt erstens eine Minderung des Lebenserwerbseinkommens und zweitens automatisch eine geringere Pension.
Die SPÖ hat bei ihrer Zurückhaltung einer rascheren Anpassung des Frauenpensionsalters an das der Männer die vielen Wenigverdienerinnen - wie Handelsangestellte - im Blick. Für diese ist ein längeres Arbeiten nicht automatisch mit Selbstverwirklichung im Beruf verknüpft. Dennoch bringt auch ihnen längeres Arbeiten mehr Geld auf dem Pensionskonto ein.
Und noch ein Unterschied zeigt sich: Die ÖVP wünscht eine Automatik, die dem Älterwerden Rechnung trägt, die SPÖ will dies der Politik überlassen. Referenzgröße der SPÖ ist der Anteil der Pensionszuschüsse am BIP: Solange das BIP wächst (was derzeit kaum gegeben ist), kann auch der Bundeszuschuss mitwachsen. Und hier schließt sich der Kreis: Die ÖVP will bei den Ausgaben generell den Sparstift ansetzen.