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Der EU bleibt im Umgang mit der Ukraine wenig Handlungsspielraum, unabhängig vom Wunsch der USA zu verfahren.
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Die Rufe nach einer autonomen Verwaltung werden lauter - und das nicht nur in Schottland, wo vorige Woche das "No" zur Abspaltung vom Vereinigten Königreich den britischen Premier David Cameron vor einem möglichen vorzeitigen Ende seiner Amtszeit bewahrt hat.
In der Ukraine hat das Parlament jüngst den Gebieten Donezk und Luhansk einen Sonderstatus zugebilligt, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko lehnt jedoch - ganz im Einvernehmen mit den USA und der Europäischen Union - deren Unabhängigkeit ab. Man wolle eine Eingliederung der Region in die Russische Föderation auf alle Fälle verhindern. Einen nicht endenden Militärkonflikt vor den Toren der EU nimmt man dafür gerne in Kauf - kurzfristig zumindest.
Inzwischen beginnen Politiker und Experten diesseits und jenseits des Atlantiks langsam, aber deutlich Europas Außenpolitik zu hinterfragen. Jan Techau, zum Beispiel, Direktor des Carnegie Endowment Europe, prognostiziert die langfristige Unfähigkeit der EU, als Friedensmacht einen Konflikt zu beenden, der viele an einen wiederkehrenden Kalten Krieg erinnert. Die EU sei intern zu uneins, um sich als Schutzmacht erfolgreich zu beweisen und dem Riesen Russland - insbesondere auf militärischer Ebene - zu kontern; außerdem sei das Geld dafür zu knapp, meint Techau.
Mutet sich die EU also tatsächlich zu viel zu? Womöglich. Was Techau allerdings vergisst, ist, dass der europäischen Staatengemeinschaft aufgrund ihrer geopolitischen Lage wenig Handlungsspielraum bleibt, unabhängig vom Wunsch der USA zu verfahren. Folglich unterwirft man sich und zeigt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Zähne, hat aber abgesehen von "Putin-Bashing" wenig konstruktive Vorschläge parat. Eine Autonomie der ostukrainischen Gebiete oder eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine sind vielen Politikern Lösung genug, doch sie wären ohne Gewähr. Vor allem, was den tiefen Vertrauensbruch zwischen Russland und der EU betrifft.
An einer Aussöhnung Europas mit Russland zeigen die USA jedenfalls wenig Interesse. Um ihre globale Vormachtstellung aufrechtzuerhalten, muss Russland nämlich destabilisiert bleiben - und da kommt die Ukraine-Krise genau gelegen. So sieht es etwa Zbigniew Brzezinski, einer der einflussreichsten US-Politologen und Berater, der in vielen Kreisen als "Rasputin" des US-Präsidenten Barack Obama bezeichnet wird. Von Brzezinski kam angeblich auch der Rat, das ukrainische Heer weiter mit US-Waffen aufzurüsten, um die Macht Putins, den er einmal mit Adolf Hitler verglich, zu brechen. "Erst ohne die Ukraine hört Russland auf, eine Großmacht zu sein", schrieb Brzezinski bereits in seinem 1997 veröffentlichten Buch "The Grand Chessboard" ("Das große Schachbrett"), in dem er die globale Vormachtstellung der USA vehement verteidigte.
Nun, Russland wird diesen Gedanken wohl nicht als "fait accompli" hinnehmen, und Europa befindet sich - wieder einmal - zwischen den Fronten. Anstatt einer eventuellen EU-Mitgliedschaft der Ukraine wäre es daher vielleicht ratsamer, sich über die Zukunft der europäischen Beziehungen mit Russland und deren Auswirkungen Gedanken zu machen.