Bücher finden und lesen im Internet. | David gegen Goliath: Schriftsteller zittern um die Rechte. | Wien. "Wenn man mit Google spricht, hat man das Gefühl, eine Ameise zu sein, die mit einem Bären spricht und dabei dauernd aufpassen muss, nicht zertreten zu werden", sagt ein deutscher Verleger. Seit die Internet-Suchmaschine Google begonnen hat, Bibliotheksbestände einzuscannen und online verfügbar zu machen, ist die Angst unter den deutschsprachigen Autoren und Verlegern vor Googles Buchsuche groß.
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Google wäre in Zukunft nicht mehr nur Suchmaschine, sondern auch Verleger, Buchhändler und Bibliothekar. Verlage fürchten vor allem Eines: Googles Monopolstellung bei der Vermarktung digitaler Bücher. Deswegen haben sich im Frühjahr auch rund 1300 prominente Autoren und Wissenschafter, darunter österreichische Autoren wie Robert Schindel, zum "Heidelberger Appell" zusammengeschlossen. Sie fordern die Unterstützung durch die Politik.
10 Millionen Bücher sind schon eingescannt
Bisher hat Google über 10 Millionen Bücher in über 100 Sprachen aus über 100 Ländern eingescannt, darunter auch etwa 100.000 deutschsprachige von Handke über Bernhard bis Kehlmann. Vor allem die Vorgangsweise, urheberrechtlich geschützte Bücher aus US-Bibliotheken einzuscannen, ohne sich vorher auf Nutzungsrechte zu einigen, brachte Google Kritik ein. Googles lapidare Begründung: Es könnte "niemals eine Straßenkarte veröffentlicht werden, wenn jeder Hausbesitzer seine Zustimmung geben müsste".
US- Autoren- und Verlegerverbände klagten Google vor einem New Yorker Gericht und einigten sich auf einen Vergleich ("Google Book Settlement"), der im Oktober endgültig vom US-Gericht abgesegnet werden soll. Noch existieren auch kartellrechtliche Bedenken.
Konkret sieht der Vergleich vor, dass Google nun nachträglich die Nutzungsrechte an sämtlichen Werken erwirbt. Als Schadenersatz leistet die Suchmaschine 60 Euro pro Buch sowie 63 Prozent der zukünftigen Erlöse, die sie mittels Werbeeinschaltungen, Print-on-Demand oder E-Book-Verwertung generieren will.
US-Vergleich betrifft auch Österreich
Der Vergleich bezieht sich nur auf die USA, trotzdem sind österreichische Autoren und Verlage betroffen. Grund ist die Besonderheit des amerikanischen Prozessrechts, da als Rechtsmittel eine class action - eine Art Sammelklage - gewählt wurde. "Der Vergleich wird für alle bindend, auch wenn sie selbst nicht am Prozess beteiligt waren, beziehungsweise von diesem gar nichts wussten", erklärt "IG Autorinnen Autoren"-Chef Gerhard Ruiss im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das Urheberrecht entsteht grundsätzlich mit der Schaffung eines Werkes. "Google stellt das Urheberrecht auf den Kopf und schafft sich ein eigenes", kritisiert Ruiss. "Google will mit dem Vergleich die europäische Kulturgeschichte abstauben", warnt der Autor.
Die Suchmaschine lässt sich auch die Nutzungsrechte aller frei gewordener Werke einräumen, bei denen das Urheberrecht nach 70 Jahren ausgelaufen ist. Gleiches gilt für verwaiste Werke, deren Autor unbekannt ist oder wenn kein Widerspruch gegen Werknutzung ausgeübt wurde.
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner bezeichnete den Google-Vergleich als "nicht unproblematisch", weil "Rechteinhaber genötigt sind, Erklärungen abzugeben, wenn sie das Recht nicht verlieren wollen, gegen bestimmte Nutzungen durch Google gerichtlich vorzugehen".
Die Europäische Kommission soll nun prüfen, ob die USA ihren internationalen Verpflichtungen nachkommt.
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