Wenn es nicht schnell zu einer Lösung des Problems zwischen Israel und den Palästinensern komme, werde der Extremismus davon profitieren, hatte Hesham Youssef von der Arabischen Liga kürzlich in Wien gesagt. Dass sich sein Diktum im Gazastreifen so rasch in konkrete Fakten umsetzen würde, hat vielleicht nicht einmal er erwartet.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Medien schreiben von Bruderkrieg, davon, dass ein Bürgerkrieg schon ausgebrochen ist oder kurz bevorsteht. Dies ist - wie auch im Irak - lediglich eine Frage der Nuancierung, der Interessen und der Definitionen. Unzweifelhaft steht fest, dass die Lage im Gazastreifen völlig außer Kontrolle geraten ist. In Gaza dominieren die Islamisten, im Westjordanland die eher säkulare Fatah. Die politische Kluft zwischen den beiden auch geographisch getrennten palästinensischen Gebieten zerstört die von Saudiarabien notdürftig vermittelte "Regierung der Nationalen Einheit".
Auch deren führende Politiker, Präsident Mahmoud Abbas und Premier Ismail Haniyeh, scheinen die Milizen der eigenen Parteien nicht mehr beeinflussen zu können. Der Sitz von Abbas in Gaza-Stadt oder das Wohnhaus von Haniyeh wurden mit Granaten angegriffen, was keinen der beiden freuen kann.
Beide leiden unter den enttäuschten Hoffnungen ihres Volkes. An der Fatah wurde nur noch die Korruption ihrer Funktionäre wahrgenommen, politische Erfolge wurden nicht erzielt; unter der statt ihr gewählten Hamas hat sich die Lage entgegen den Hoffnungen weiter verschlimmert, nicht zuletzt wegen des Boykotts, den westliche Regierungen, vor allem aber Israel gegen Palästina verhängten. Die Atmosphäre von Hoffnungslosigkeit, wirtschaftlicher Not und Unterdrückungsgefühlen entlädt sich nun in einer Explosion von Gewalt.
Die herkömmlichen Autoritäten sind desavouiert. Der in Riad erzielte Friedensschluss mit der Fatah hat für die radikalen Hamas-Islamisten auch ihren Premier Haniyeh zum "Verräter" werden lassen. Noch größer ist aber der Hass auf die Fatah, die von den USA seit jüngster Zeit mit Waffen und Geld unterstützt wird. Sie wird schon in einem Boot mit den "Juden" gesehen. Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass die jahrelange Unterstützung der Hamas-Milizen durch den Iran ihren Beitrag zur Radikalisierung leistet.
Diese Querverbindungen machen die Zukunftaussichten noch düsterer als nur der Blick auf Palästina allein. Für den Nahostexperten und UN-Sonderbeauftragten Terje Rød-Larsen haben sich statt des arabisch-israelischen Konfliktes vier neue Epizentren im Nahen Osten herausgebildet (Irak, Iran, Libanon/Syrien, Palästina/Israel), die noch dazu alle in Verbindung zueinander stehen. Eine Friedenslösung für den Nahen Osten, die alle diese Gebiete umfasst, sei aber praktisch unmöglich - wodurch der Diplomatie nur bleibt, die Gewalt einzudämmen. Seite 7