Die Detroit Auto Show zeigt, wie stark sich die US-Autoindustrie mittlerweile vom Rest der Welt abgekoppelt hat. Noch immer dominieren spritschluckende Pick-ups die größte amerikanische Automesse.
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Detroit. Am neuen Chevrolet Silverado glänzt es überall. Die mächtige Stoßstange ist ebenso mit dickem Chrom überzogen wie der Kühlergrill, die Trittbretter und die Felgen. Selbst die Türgriffe des knapp drei Tonnen schweren Pick-ups blitzen einem entgegen. Dass das gut ankommt, weiß man beim General Motors-Konzern, der mit dem Silverado seit Jahren den zweiten Platz im leichten US-Truck-Segment belegt, nur zu gut. Schließlich fließt ein nicht unbeträchtlicher Teil jener 8000 Dollar, die der durchschnittliche Silverado-Käufer für Extras ausgibt, in diverses optisches Schmuckwerk.
Doch all der Glanz kann kaum darüber hinwegtäuschen, dass der neue Silverado von seiner Anlage her eigentlich ein altes Auto ist. Vorne blubbert wieder ein großvolumiger und verbrauchsintensiver V8-Benzinmotor, der Großteil der Karosserie besteht abgesehen von einigen neuen Aluminiumelementen nach wie vor aus schwerem Stahl. Genauso werden die in den USA noch immer ungemein beliebten Pick-up-Trucks schon seit Jahrzehnten gebaut.
Mit seinem kaum veränderten Konzept ist der neue Silverado auch ein Sinnbild jener Automesse, auf der er gerade seine Weltpremiere gefeiert hat. Denn die Detroit Auto Show, die am Montag bereits für Journalisten und Fachpublikum eröffnet wurde, steht schon längst nicht mehr für Innovation. Die wirklich aufsehenerregenden Entwicklungen, die die Zukunft der Mobilität nachhaltig prägen dürften, werden mittlerweile auf der nur wenige Tage zuvor stattfindenden Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vorgestellt. Ein vollvernetztes Roboterauto, wie es etwa das chinesische Start-up Byton in der US-Glücksspielmetropole präsentiert hat, sucht man in Detroit vergebens. Dort wagt bisher nur Ford mit der Ankündigung, seine Investitionen in die Elektromobilität massiv aufzustocken, einen kleinen und auch nur abstrakten Blick in die Zukunft. "In Detroit steht das Auto von gestern und auf der CES das Auto von morgen", schreibt Ferdinand Dudenhöffer, Automobilprofessor an der Universität Duisburg-Essen, in einem Expertenkommentar.
Hausmesse für US-Hersteller
Ablesen lässt sich der zunehmende Bedeutungsverlust der Detroit Auto Show aber nicht nur daran, dass es hier kaum noch Innovationen zu bestaunen gibt. Auch die europäischen Hersteller kommen immer seltener nach Motown. So fehlen im offiziellen Austellerverzeichnis viele Marken wie Porsche, Jaguar, Landrover, Mini, Aston Martin, Bentley, Ferrari und Maserati, für die die USA eigentlich einen wichtigen Markt darstellen. Auch der US-Branchenpionier Tesla, der als wichtigster Treiber der Elektroautorevolution gilt, ist wie schon in der Vergangenheit nicht im am Detroit River gelegenen Cobo Center vertreten.
Doch auch die europäischen Hersteller, die noch nach Detroit kommen, haben ihr Programm deutlich reduziert. So ist Daimler-Chef Dieter Zetsche der einzige Vorstandsvorsitzende einer deutschen Marke, der zur größten US-Automesse angereist ist. Matthias Müller und Harald Krüger, die Chefs von VW und BMW, sind dagegen zu Hause geblieben und haben stattdessen Vertreter wie etwa VW-Markenchef Herbert Diess geschickt, der vor allem den neuen Jetta präsentieren wird.
Die Messe in Detroit kämpft zudem mit der sinkenden Bedeutung des US-Geschäfts. Denn der Automarkt in den Vereinigten Staaten ist im Prinzip gesättigt, auf 1000 US-Amerikaner kommen heute schon 750 Fahrzeuge. Neue Fahrzeuge werden daher also nur noch dann verkauft, wenn die Besitzer ihr Auto wechseln. Und dazu scheinen die Amerikaner trotz starker Wirtschaftsdaten und der geplanten Steuerreform derzeit weniger Lust zu haben als noch in der Vergangenheit. So rechnet der US-Autohandelsriese Cox Automotive damit, dass der Neuwagenabsatz 2018 von 17,55 Millionen auf 16,7 Millionen Stück sinkt.
China überflügelt USA
Noch bedeutender erscheint der Bedeutungsverlust des US-Marktes, wenn man neben den absoluten Zahlen auch auf die Anteile am globalen Gesamtvolumen blickt. Fanden im Jahre 2000 noch 34,6 Prozent aller weltweit verkauften Pkw in den USA ihre Käufer, so waren es 2017 nur noch 20,2 Prozent. Und 2025 werden es sogar nur noch 16,3 Prozent sein. Genau spiegelverkehrt verläuft dagegen die Entwicklung in China. Während 2000 lediglich 1,2 Prozent aller Neuwagen in die Volksrepublik gingen, wird der derzeit bei 28,8 Prozent liegende Anteil bis 2025 auf 33,4 Prozent steigen. "Nicht mehr die USA sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten für die Autobauer, sondern China und der Rest Asiens", sagt Dudenhöffer.