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Autoversicherer werden abgezockt

Von Jörg Mirtl und Karl Leban

Wirtschaft

Reparaturkosten in den letzten zehn Jahren um 50 Prozent gestiegen. | Kritik: Alternative Reparaturen werden oft bewusst verschwiegen. | Wien. "Es ist ein offenes Geheimnis, dass Autowerkstätten bei der Abrechnung von Reparaturen unterschiedlich vorgehen. Aber keine wird es zugeben", heißt es bei den Autofahrerklubs. Die tatsächliche Höhe der Kosten hängt demnach davon ab, ob hinter einem Kunden eine Versicherung steht - oder nicht. Zahlt er den Schaden selbst, wird ihm im Regelfall viel weniger verrechnet als einer Assekuranz. "Ist eine Versicherung im Spiel, wird auf der Rechnung mitunter dick aufgetragen", heißt es in der Versicherungsbranche hinter vorgehaltener Hand.


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Deswegen wird in Werkstätten zuallererst gefragt: "Haben Sie eine Versicherung?" Ist das der Fall, wissen die Werkstätten, dass mehr Geld zu holen ist.

Teils hohe Preisdifferenzen

Verblüffend das Beispiel eines Wiener Angestellten: Sein Auto hatte im Juni einen Hagelschaden abbekommen, die Dellen ließ er in einer Werkstätte ausdrücken. Da sein Wagen nicht kaskoversichert war, zahlte er aus eigener Tasche - Kostenpunkt: 465 Euro. Bereits vor fünf Jahren hatte dasselbe Auto einen Hagelschaden im gleichen Ausmaß, war jedoch kaskoversichert. Dieselbe Werkstätte verrechnete damals drei Mal so viel - nämlich gut 1400 Euro, wovon rund 1000 Euro auf die Versicherung entfielen und der Rest auf den Selbstbehalt des Versicherungsnehmers.

Die Versicherungen kennen das Problem solcher Preisdifferenzen seit langem, kämpfen aber gegen Windmühlen. Denn für die Werkstätten gibt es durchaus Spielraum, eine Rechnung zu strecken: Getrickst werden kann beispielsweise über die Stundensätze (vor allem bei komplizierten Reparaturen).

Fakt ist, dass die Kosten für Kfz-Reparaturen steigen - und das kontinuierlich und über die Maßen. Allein in den letzten zehn Jahren sind die Preise im Schnitt um mehr als 50 Prozent nach oben geschnellt, belegt eine aktuelle Studie des österreichischen Versicherungsverbandes.

Diese Preissprünge seien allerdings nicht ausschließlich auf die Inflation zurückzuführen, so die Bundesinnung für Kfz-Techniker. Dafür gebe es auch andere Gründe. So sei neben den immer höheren Gehaltskosten auch die steigende Spezifizierung der Kfz-Modelle für die immer teureren Reparaturen verantwortlich: Immer öfter müssten für die Autos jedes einzelnen Herstellers jeweils eigene Werkzeuge verwendet werden.

Seitens der Versicherer steht aber auch der Vorwurf im Raum, manche Werkstätten würden dem Kunden alternative Reparaturmethoden bewusst verschweigen, da sie aufgrund der hoch dotierten Kaskoversicherungen von aufwendigeren Reparaturen mehr profitieren. Dabei soll es eben vorkommen, dass die eine oder andere Stunde zuviel verrechnet wird.

Vorwürfe an Kfz-Mechaniker

Kersten Viehmann, Geschäftsführer der Bundesinnung für Kfz-Techniker, weist diesen Vorwurf zurück: "Für diese Gerüchte habe ich noch keinen Beleg bekommen. Das sind doch Geschichten aus dem Märchenland." Die Versicherungsprämien würden nicht sinken (wie dies gerade der Fall ist), wenn die Vorwürfe tatsächlich stimmten, so Viehmann. Andererseits seien die Sachverständigen der Versicherungen nicht richtig gebrieft und kalkulierten unnötigerweise ausschließlich mit neuwertigen Ersatzteilen.

Dass die Sachverständigen unzureichend informiert sind, streitet Erik Eybl, Chef der Schadenabteilung der Generali-Versicherung, ab: Die Prämien würden langfristig auf Basis der Herstellervorgaben errechnet. Der Kunde, der sie bezahlt, habe ein Recht darauf, nach der Reparatur ein gleichwertiges Auto zu erhalten.

Zum Vorwurf, Versicherungen würden über Gebühr zur Kasse gebeten, meint Eybl: "Die Transparenz der Kostenberechnungen, die von den Versicherern durchgeführt werden, gefällt den Kfz-Technikern natürlich nicht. Die Stunde zuviel ist aber schnell der Fall, wenn ein Schaden nicht besichtigt wird." Denn in der Praxis würden nur 70 bis 80 Prozent der Schadensfälle kontrolliert. Außerdem würden nur "sehr gute" Kfz-Werkstätten die Kunden über mögliche Kostenersparnisse informieren: "Auf alternative Reparaturmethoden wird nicht in genügendem Maß hingewiesen, weil bei den gängigen Reparaturen die Verdienstspanne höher ist."

Dadurch kann es zu immer höheren Kosten kommen, "die sich zumindest mittelfristig in höheren Prämien widerspiegeln werden", sagt Alexander Mürmann, Vorstand des Instituts für Versicherungswirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien. Am Ende zahlen also nicht die Versicherungen die Zeche - sondern die Versicherungsnehmer.

Könnten die Kosten für Autoreparaturen gesenkt werden, würde dies auch die Prämien sinken lassen. Bei einigen Versicherungsunternehmen gibt es bereits Anreizsysteme, die bei Kaskoversicherungen den Selbstbehalt verringern oder ganz entfallen lassen, wenn alternativ repariert wird.

Billigere Reparaturmethoden

So ist es etwa möglich, Kleinschäden auf der Windschutzscheibe mit Füllharz wegzuzaubern. Dabei wird flüssiges Kunstharz in die Schadenstelle gepresst und mit UV-Licht ausgehärtet. Bei modernen Autos ist die Windschutzscheibe ein tragendes Element der Karosserie - althergebrachte Verfahren, also das Auswechseln der Scheibe, sind daher ein aufwendiges Unterfangen.

Als günstige Alternative bietet sich auch "Spot Repair" an. Damit ist das punktuelle Beheben kleiner Lackschäden gemeint. Die Kratzer werden übersprüht, ohne dass der gesamte Karosserieteil neu lackiert werden muss. Gleiches gilt für Dellen, die nach einer speziellen Methode ausgedrückt werden. Diese alternativen Verfahren bieten neben der Kostenreduktion eine massive Zeitersparnis und sind durch den geringeren Materialverbrauch zudem umweltfreundlicher.