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Auweh! Was passiert mit dem Schadenersatz?

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

"Entwurf gefährdet Rechtssicherheit". | Gegenforderung: Feste Tatbestände. | Wien. Es ist ein Kampf der Giganten: Arbeitsgruppe Koziol gegen Arbeitskreis Welser/Reischauer. Beide Teams haben ein Ziel: Die Reform des Schadenersatzrechts. Die Wege, um dieses Ziel zu erreichen, könnten jedoch nicht unterschiedlicher sein. Das zeigte wieder einmal eine parlamentarische Enquete zu dem Thema Schadenersatz am Mittwoch, mit der die Diskussion neu belebt werden sollte.


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Rudolf Reischauer, Professor an der Johannes-Kepler-Universität Linz, war kaum mehr zu bremsen, als er gegen den Entwurf der Arbeitsgruppe des Schadenersatz-Experten Helmut Koziol vom Europäischen Zentrum für Schadenersatz- und Versicherungsrecht vorging.

Kritik an Arbeitsgruppe

Die Arbeitsgruppe war durch das Bundesministerium für Justiz eingesetzt worden, um das heimische Schadenersatzrecht zu überarbeiten. Die Ergebnisse wurden bereits im Juni 2005 vorgestellt. Darin hatten sich die Mitglieder für eine umfassende Reform der schadenersatzrechtlichen Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) entschieden, was seither vielerorts auf Kritik gestoßen ist.

Auch Reischauer ließ am Mittwoch kein gutes Haar an dem Entwurf. In seinem Vortrag wies er eingangs darauf hin, dass "die Reform nicht Aufgabe der Rechtswissenschafter, sondern des Gesetzgebers" ist. Dennoch ließ es sich Reischauer selbst nicht nehmen, seine Meinung zur Reform des Schadenersatzrechts kundzutun. "Wir sind der Auffassung, dass feste Tatbestände im Vordergrund stehen müssen", meinte der Professor in Vertretung für seinen Arbeitskreis, der den Entwurf Koziols genauer unter die Lupe genommen hatte. Kritik übte er an den offenen Formulierungen und der verstärkten Interessenabwägung im Entwurf. Laut Reischauer würde das zu einem "Ausufern der Kasuistik" führen, da bei der Beurteilung eines Falles den Wertungen der Richter mehr Bedeutung als bisher zukommt. Durch die offenen Formulierungen wird zwar einerseits ein flexibles System geschaffen, das auf möglichst viele Sachverhalte anwendbar ist. Andererseits droht dabei die Gefahr der Rechtsunsicherheit, weil man die Entscheidungen nicht vorhersehen kann, meinte Reischauer. Diese Bedenken teilte auch Martin Schauer, Professor an der Universität Wien. "Wird der Entwurf Gesetz, wird es in Österreich ein Case Law geben", meinte der Zivilrechtsexperte. Die Rechtsfindung würde nicht mehr auf kodifiziertem Recht, also den Gesetzen, sondern auf der richterlichen Rechtsprechung basieren.

Positive Aspekte

Koziol hält den Entwurf für unbedenklich. Durch "Wegweiser" gäbe es hinreichende Kriterien für die Beurteilung eines Sachverhalts. In einem flexiblen System sieht Koziol auch keine Neuigkeit: "Das wird vom Gesetzgeber und der Judikatur ständig vorexerziert."

Positives Feed-Back für die Arbeitsgruppe gab es dann auch von Schauer: "Die Systematik wurde verbessert, da der Allgemeine Teil sehr umfassend ist und der Besondere Teil deshalb nur mehr wenige Bestimmungen enthalten muss." Der Entwurf würde auch mit einigen Anachronismen wie der Unterscheidung zwischen positivem Schaden und entgangenem Gewinn aufräumen, wo die Abgrenzung immer wieder Probleme bereitet. Auch der Versuch, in dem Entwurf die Umwelthaftung herauszuarbeiten, bekam Lob von Schauer.

Fehlen würden allerdings Bestimmungen über den Massenschaden. Derzeit sei die Rechtsdurchsetzung bei solchen Schäden, die eine gemeinsame Ursache haben und viele Personen betreffen, ineffizient. Praktisch würde nämlich nur ein geringer Teil der Geschädigten den Anspruch auf Schadenersatz durchsetzen. Schauer setzt in dieser Frage auf das Regierungsprogramm. Dort ist von Gruppenklagen die Rede, die "gleichartige Ansprüche mehrerer Betroffener unter Wahrung der Klagsansprüche des Einzelnen leichter durchsetzbar" machen sollen.

Langer Weg zum Gesetz

Wie, wann und ob der Entwurf überhaupt Gesetz wird, ist noch immer völlig unklar. "Es geht alles nicht so schnell, wie man es sich erhofft hat", stellte Matthias Neumayr, Richter am Obersten Gerichtshof, fest. Im Justizministerium heißt es lediglich, dass "der Dialog in Gang ist" und man weiterarbeiten werde. Einig ist man sich jedenfalls darüber, dass eine Reform des Schadenersatzrechts dringend nötig ist.

Denn heute hält lediglich die Rechtsprechung das Schadenersatzrecht am Leben, wie Schauer am Mittwoch betonte. "Die aktuelle Rechtslage ist aus dem Gesetz nicht ersichtlich", erklärte der Professor. Neben einer Modernisierung und Transparenzsteigerung muss vor allem bei der Gefährdungshaftung angesetzt werden. Diese Haftung für an sich erlaubte, aber risikoreiche Tätigkeiten ist dem ABGB nämlich fremd. Sie ist nur in Sondergesetzen vorgesehen.

Der Entwurf sieht nun Generalklauseln zur allgemeinen Gefährdungshaftung vor und bezieht sich beispielsweise auf Eisen- und Seilbahnen, Munitionsfabriken und Motorboote.

Auch an der Unternehmerhaftung hat die Arbeitsgruppe herum geschraubt. Dadurch soll das alte Problem der Gehilfenhaftung gelöst werden. Derzeit kann ein Unternehmer nämlich nur schwer belangt werden, wenn einer seiner Gehilfen einen Dritten schädigt, zu dem kein Vertragsverhältnis besteht.