Myanmars Junta erwägt Verhandlungen mit der inhaftierten Aung San Suu Kyi. Sind diese realistisch?
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Es sei nicht ausgeschlossen, lässt das Militärregime in einem Statement wissen, dass man mit Aung San Suu Kyi Verhandlungen aufnehmen werde. Zunächst müssten die Prozesse gegen sie abgeschlossen werden, außerdem müsste sich die 77-Jährige wohl auch kooperativ zeigen. Dann aber würde das Militär Gespräche mit der Friedensnobelpreisträgerin und ihrer Bewegung "erwägen." Einem Frieden im südostasiatischen Land stünde dann nichts mehr im Wege.
So ist jedenfalls die Sichtweise der Junta, die sich in Myanmar vor gut eineinhalb Jahren an die Macht geputscht hat. Am 1. Februar 2021, als drei Monate nach einem überwältigenden Wahlsieg für die Nationale Liga für Demokratie (NLD) das neu gewählte Parlament seine Arbeit aufnehmen sollte, hatten die Militärs neben der Demokratieikone Aung San Suu Kyi noch diverse weitere demokratische Politiker festgenommen. Das Militär, dessen Solidaritäts- und Entwicklungspartei kaum Stimmen gewonnen hatte, wollte Wahlbetrug erkannt haben.
Seitdem befindet sich das 54-Millionen-Land am Rande eines Bürgerkriegs. Was zunächst mit friedlichen Protesten der demokratisch gesinnten Mehrheit begann, mündete bald in Generalstreiks in diversen Städten im Land. Das Militär versuchte die Menschen mit rollenden Panzern und schießenden Gewehren zurück zu ihren Arbeitsplätzen zwingen. Laut der Hilfsorganisation Politische Gefangene sind seitdem mehr als 15.000 Personen festgenommen und 2.200 getötet worden.
Armut und Auswanderung
Myanmar, wo nach jahrzehntelanger Militärdiktatur erst ab 2008 eine zumindest teilweise demokratische Verfassung galt, ist in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen worden. Gruppierungen, die zu Zeiten der vorigen Militärdiktatur gegen Unterdrückung kämpften, haben sich erneut bewaffnet. Die demokratische Schattenregierung, die im Untergrund agiert und sich maßgeblich aus bei der letzten Wahl erfolgreichen Kandidaten zusammensetzt, haben zum Kampf an der Waffe aufgerufen und bereits Rebellen trainiert.
Weil sich zahlreiche Menschen früh einer Bewegung des nationalen Ungehorsams anschlossen, wurde auch die vom Militär geprägte Wirtschaft schwer beschädigt. So haben Logistikarbeiter die Lieferungen von Importgütern in die Städte verweigert. Lehrer, Ärzte und Pflegekräfte gingen nicht mehr zur Arbeit. Zigaretten- oder Biermarken, die zu einem der vom Militär kontrollierten Konglomerate gehört, wurden boykottiert.
Doch was dem Militär und dessen Finanzlage schadet, tut in diesem Fall auch der Volkswirtschaft als Ganzer nicht gut. Wenige Wochen nach dem Putsch warnten Nichtregierungsorganisation bereits vor einer humanitären Krise. Sie zeigt sich nicht nur darin, dass laut der Weltbank die Volkswirtschaft gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019 um 13 Prozent geschrumpft ist und heute 40 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben.
Die akute Krise lässt sich auch an großen Wanderungsbewegungen ablesen. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl von Personen, die innerhalb der Landesgrenzen die Flucht aufgenommen haben, auf mehr als 900.000. In Nachbarländer wie Indien oder Thailand, wohin es vor allem jene Personen zieht, die in Grenzregionen leben, sind demnach mehr als 42.000 Personen geflüchtet.
Zudem berichtet das demokratisch eingestellte Nachrichtenportal Irrawaddy von einem Braindrain - dass also vor allem gut ausgebildete junge Menschen dem Land den Rücken kehren. Fotos zeigen lange Schlangen vor Behörden, bei denen man sich für Reisepässe bewerben kann, sowie vor Instituten, die ausländische Sprachtests abhalten, die wiederum mehrere Staaten als Bedingungen für ein Visum verlangen.
Facebook-Ersatz angekündigt
Dem Militärregime bleibt all dies kaum verborgen. Wohl auch deshalb hat es angekündigt, man sei offen, mit Aung San Suu Kyi über einen möglichen Frieden zu verhandeln. Die im Land weiterhin höchst populäre Politikerin ist seit ihrer Festsetzung am Tag des Putsches in mehreren fragwürdigen Prozessen zu 17 Jahren Haft verurteilt worden, weitere Urteile könnten folgen. Vor einigen Wochen wurden auch Todesurteile gegen bekannte Demokratieaktivisten vollstreckt.
Diese Entwicklungen, die die Gegner des Putschregimes bisher nur zu weiterer Oppositionshaltung angestachelt haben, versucht die Junta dieser Tage mit mehreren Avancen abzufedern. Vergangene Woche verkündete das Regime, eine neue Kommunikationsplattform zu starten - als Ersatz für das bald nach dem Putsch gesperrte Facebook, wo sich diverse Regimegegner ausgetauscht und ausgelassen hatten.
Zudem hat das Regime dieser Tage zugegeben, dass es sich bei der Machtübernahme im Februar 2021 um einen Putsch handelte - was bis dahin bestritten worden war. Sind all diese Schritte als Versuche der Deeskalation zu verstehen, gar ein Angebot zum Frieden? In der demokratischen Bewegung zeigt sich bisher jedenfalls kaum jemand überzeugt. Es setzt sich stattdessen der Eindruck durch, dass sich mit dem buddhistisch-nationalistisch geprägten Militär Myanmars einfach nicht verhandeln lasse.
Als 2008 eine demokratische Verfassung beschlossen wurde, hatte sich das Militär 25 Prozent der Plätze im Parlament gesichert, womit es diverse Vorhaben blockieren konnte. Der gewählten Aung San Suu Kyi waren somit in vielen Politikbereichen die Hände gebunden. So fordern nun diverse Gegner des Putschregimes, dass der Kampf um Demokratie nur mit der Beseitigung des Militärs aus der Politik enden könne. Ansonsten gehe er weiter.