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Anwälte setzen auf kostengünstiges Musterverfahren zur Verjährung.
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Wiener Neustadt. Im ersten Schadenersatzprozess von 933 AvW-Opfern gegen den früheren AvW-Wirtschaftsprüfer Josef Ehrenböck (Ehrenböck Moore Stephens) ist Richter Martin Kargl über seinen Schatten gesprungen.
Obwohl der frühere Bezirksrichter in Baden selbst der Meinung ist, dass die Ansprüche dieser 933 AvW-Geschädigten nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB) bereits verjährt sind - alle haben vor Oktober 2006 AvW-Genussscheine gekauft -, hat er es nach einer dreistündigen "Mediation" geschafft, eine gewiefte Musterprozesslösung zu basteln. Dadurch kann eine Geldvernichtung in Form von horrenden Gerichtsgebühren - es geht um Hunderttausende Euro - zulasten der Anleger und ihrer Rechtsschutzversicherungen verhindert werden.
Die Frage der Verjährung der Haftungsansprüche soll in einem einzigen Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) geklärt werden. Dazu hat Kargl das erste Massenverfahren am Mittwoch beendet, er trennt die 933 Fälle auf, packt etwa acht Fälle in ein neues Musterverfahren, fällt dann ein Urteil, und legt die übrigen 925 Fälle so lange auf Eis, bis der OGH über die Verjährungsfrage entschieden hat. Die Entscheidung des OGH wird dann aber auf alle Fälle angewendet. Denn: Zur Verjährungsfrage von Haftungsansprüchen von Anlegern gegen den Abschlussprüfer eines Finanzdienstleisters liegt bisher keine OGH-Judikatur vor. Das UGB spricht den Jahresabschlussprüfern eine privilegierte Verjährungsfrist von fünf Jahren zu. Die Anlegeranwälte pochen aber darauf, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Crash des Beteiligungskonglomerats AvW im Oktober 2008 zu laufen begann.
Gute Lösung für Anleger
"Das Musterverfahren ist eine Lösung im Sinne der Prozessökonomie", meinen die Anlegeranwälte Michael Bauer und Erich Holzinger, die sich für diese Lösung starkgemacht haben. Anwalt Andreas Pascher hält sie sogar für "perfekt". Und Anwalt Harald Christandl lobt "die Souveränität des Richters". Dabei sah es am Anfang des Prozesses noch ganz anders aus. Zuerst entschuldigte sich der Richter für "das Datenleck" am Landesgericht Wiener Neustadt; die "Wiener Zeitung" berichtete. Kargl stellte aber auch gleich fest, dass er die Ansprüche der Anleger gegen Ehrenböck für verjährt hält. "Mir ist klar, dass es die Lehre anders sieht, die Judikatur schließt sich meiner Meinung an", sagte der Jurist. "Ich sehe es eher so, dass sich die Anleger die Rosinen durch die Dritthaftung des Abschlussprüfers herauspicken." Für die "Rosinen" erntete er Proteste.
Indes sprach sich Ehrenböcks Anwalt, der nicht genannt werden will, aus emotionalen Gründen gegen eine Unterbrechung des Verfahrens aus. "Es haben 2000 Kläger die Existenz meines Freundes Ehrenböck zerstört, wenn er nicht schon mehr als 60 Jahre alt wäre, könnte er sich am nächsten Baum aufhängen", sagte der Anwalt. "Jetzt erwarten sie, dass er sich auf ein Musterverfahren einigt?" Er habe mit der Haftpflichtversicherung Ehrenböcks ausgemacht, dass keiner Unterbrechung zugestimmt wird. "Die 2000 Klagen waren notwendig, weil sie keinen Verjährungsverzicht abgegeben haben", konterte Anlegeranwalt Christandl.
In einer Pause versuchte Kargl noch einmal, Ehrenböcks Anwalt Verständnis für die vorgeschlagene Lösung abzuringen. Letztendlich beschloss der Richter seine Vorgangsweise mit dem Musterverfahren.