Richter Peter Wöhrer hat zwei Klagen abgewiesen - Berufung beim OLG Wien.
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Klagenfurt/Wiener Neustadt. Die Insolvenzverfahren um das gestrauchelte Kärntner Beteiligungskonglomerat AvW von Wolfgang Auer-Welsbach - 12.500 Anleger fordern rund 350 Millionen Euro Schadenersatz - sprengen Grenzen. Der Wiener Neustädter Richter Peter Wöhrer hat zwei Schadenersatzklagen (Aktenzahl 24 Cg 386/11x, 26 Cg 402/11i) der AvW-Masseverwalter mit einem Streitwert in Höhe von insgesamt 132 Millionen Euro gegen den früheren AvW-Wirtschaftsprüfer abgewiesen. Ein "Antrag" auf Neueröffnung dieses teuren Zivilprozesses (1,058 Millionen Euro Gerichtsgebühr) durch die Massverwalter, die "Wiener Zeitung" berichtete, ging in Wiener Neustadt ins Leere.
So werden die AvW-Masseverwalter Gerhard Brandl und Ernst Malleg demnächst zum rechtlichen Gegenschlag ausholen. Sie werden mit Rückendeckung des AvW-Gläubigerausschusses an die 1,5 Millionen Euro Gerichtsgebühren in die Hand nehmen müssen, um beim Oberlandesgericht Wien dieses 23 Seiten starke Urteil zu bekämpfen. Hier dürfte sich ein gewaltiges Rechts-Match anbahnen. "Wir werden Berufung einlegen", bestätigt Brandl der "Wiener Zeitung". Laut Arno Ruckhofer vom Alpenländischen Kreditorenverband (AKV) müssen die Insolvenzverwalter alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um sich selbst nicht etwaigen Haftungsansprüchen auszusetzen.
In den beiden Klagen werfen Brandl und Malleg dem niederösterreichischen Wirtschaftsprüfer vor, die Jahresabschlüsse der AvW Invest und AvW Gruppe grob fahrlässig geprüft zu haben. Bei sorgfältiger Prüfung hätte dieser den Verdacht "doloser Handlungen" entdecken und die Bestätigungsvermerke verweigern müssen. Der Konkurs hätte schon 2003 eröffnet werden müssen. Auch sei "der Ausweis des Genussrechtskapitals im bilanziellen Eigenkapital unzulässig gewesen". Der Wirtschaftsprüfer bestreitet die Vorwürfe.
Betrug ja, Schaden nein
"Die Organe der AvW Invest und AvW Gruppe haben zwar strafrechtlich relevant gehandelt und dadurch die ihnen zur Last gelegten Vermögensdelikte begangen, gleichzeitig jedoch hiedurch bewirkt, dass der AvW Invest und der AvW Gruppe Einkünfte zugeflossen sind", stellt Richter Wöhrer im Urteil fest. "Dadurch, dass die Insolvenzeröffnung nicht schon 2003 erfolgt ist, ist den beiden Gesellschaften gerade kein Schaden entstanden, vielmehr wurden Jahresüberschüsse oder zumindest eine Verringerung des negativen Eigenkapitals erreicht." AvW habe beim Genussscheinverkauf Agios lukriert, "die nicht geflossen wären, wäre der Konkurs früher eröffnet worden". "Wenn überhaupt, kann der Schaden nur darin bestehen, dass diese Einnahmen aufgrund von Malversationen nicht AvW, sondern Dritten zugeflossen sind", meint der Richter. Das werde aber nicht behauptet. Auch den aufgezeigten 132-Millionen-Euro-Schaden ("Quotenschaden") kann Wöhrer nicht nachvollziehen.
"In beiden Fällen handelt es sich um keinen Anspruch der AvW, sondern ihrer Gläubiger", heißt es im Urteil weiter. Das hieße: Nur die geschädigten 12.500 AvW-Anleger könnten Schadenersatz vom Wirtschaftsprüfer fordern. Für Schäden aus einer Vertragsverletzung habe laut Wöhrer der Insolvenzverwalter aber keine Klagslegitimation, "auch wenn es sich um Schäden aus Vertragsverletzungen handelt."
Außerdem seien die Ansprüche der Insolvenzverwalter auch verjährt - nur die Bilanzen 2006 und 2007 kämen in Frage. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Das Gericht behauptet, dass ein möglicher Schaden nicht mit Insolvenzeröffnung 2010 eingetreten sei, sondern zu jenem Zeitpunkt, zu dem das Testat für die Jahresabschlüsse verweigert hätte werden sollen.