Vier Jahre lang war die Islam-Kritikerin in den USA untergetaucht. Nun greift sie in den niederländischen Wahlkampf ein.
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Ayaan Hirsi Ali lebt im Verborgenen. Seit die niederländische Politikerin gemeinsam mit dem Regisseur Theo van Gogh den Islam-kritischen Film "Unterwerfung" gedreht hat, ist sie ihres Lebens nicht mehr sicher. An der Leiche des Regisseurs, den ein marokkanisch-holländischer religiöser Fanatiker ermordet hatte, war eine Morddrohung gegen sie mit einem Messer befestigt.
1969 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren, erfuhr Ayaan Hirsi Ali früh die Schattenseiten des Radikalismus am eigenen Leib. Ihre Großmutter unterzog sie als Fünfjährige der Klitorisbeschneidung. In der Koranschule brach ihr ein Lehrer bei der Züchtigung den Schädel. Als sie 22 Jahre alt war, arrangierte ihr Vater eine Zwangsehe mit einem Cousin in Kanada. Auf der Reise zur Hochzeit nutzte sie einen Zwischenstopp in Deutschland zur Flucht. Sie stieg in einen Zug nach Holland, wo sie Asyl beantragte - aus Angst vor Verfolgung unter falschem Namen.
Sie arbeitete als Putzfrau, wurde später Postsortiererin und erhielt 1997 die niederländische Staatsbürgerschaft. Dank ihrer Sprachkenntnisse (Somali, Arabisch, Amharisch, Swahili, Niederländisch, Englisch) wurde sie Dolmetscherin bei Justiz-, Sozial- und Einwanderungsbehörden. Dort erschütterte sie die Gewalt gegen muslimische Frauen, die sie aus erster Hand berichtet bekam.
Hirsi Ali studierte Politikwissenschaft und schloss sich der sozialdemokratischen Arbeitspartei an. Schon bald aber fand sie, die Partei verschließe sich dem Problem des islamischen Fundamentalismus in Integrationsfragen, und wechselte zur liberalen VVD. Nach der Ermordung van Goghs 2004 stand sie zunächst unter ständigem Polizeischutz. 2006 wollte ihre Parteikollegin, Immigrationsministerin Rita Verdonk, ihr die niederländische Staatsbürgerschaft aberkennen, als die falschen Angaben beim Asylantrag bekannt wurden. Die Angelegenheit wurde zur Staatsaffäre, in deren Zuge die Regierungskoalition zerbrach. Hirsi Ali behielt zwar ihre Staatsbürgerschaft, legte aber ihr Parlamentsmandat nieder und ging in die USA, wo sie für eine neokonservative Gedankenfabrik arbeitete und sich mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney anfreundete.
Mitten im niederländischen Vorwahlkampf ist sie nun wieder in Amsterdam aufgetaucht. Sie präsentierte ihr neues Buch "Nomade" und sorgte erneut für Kontroversen. In Interviews sagte sie, vom Islam gehe eine größere Gefahr aus als vom rechtspopulistischen Spitzenkandidaten Geert Wilders. Sie forderte, in den Niederlanden lebende Moslems müssten die sozial-politische Komponente des Islam aufgeben, dazu gehörten "Jihad, Einfordern der Scharia, Unterdrückung der Frau, Intoleranz gegenüber Homosexuellen und Menschen, die als Moslem geboren sind, aber etwas anderes leben wollen".
Wilders bekommt damit in einer Zeit sinkender Umfragewerte intellektuelle Unterstützung für seine ansonsten populistisch gehaltene Kampagne. Genau davor warnen Kritiker: Hirsi Alis Argumente könnten, von Rechtspopulisten ausgenutzt, Intoleranz gegenüber Ausländern fördern. Von einer direkten Unterstützung Wilders’ sah Hirsi Ali aber ab: Es fehle ihm an realistischen und ernsthaften Lösungsansätzen, meinte sie, was er schon alleine durch seine vorgeschlagene Kopftuch-Steuer beweise.