Keine Frage - asiatische Heilungskonzepte liegen bei uns Europäern derzeit voll im Trend. Im ständig wachsenden Wellness-Bereich machen Tai Chi, Qi Gong oder Akupunktur eine beispiellose Karriere. Und nun regiert ein neuer Boom den Gesundheitsmarkt: Ayurveda.
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Es findet sich mittlerweile kaum ein Hotel, das nicht irgendeine geheimnisvolle Ayurveda-Massage anbietet, und kaum eine Buchhandlung, in der nicht gerade wieder ein neues Ayurveda-Kochbuch erscheint. Kein Wunder, soll uns Ayurveda doch Schönheit, Entspannung, ja sogar lebenslange Gesundheit bringen.
Klingt vielversprechend - doch was steckt hinter diesem exotischen Begriff? Ursprünglich stammt er aus dem Sanskrit, der alten Hochsprache Indiens. "Ayus" wird üblicherweise mit "langem Leben" und "veda" mit "Wissenschaft" übersetzt ("Wissenschaft vom langen Leben"). Genauer gesagt versteht man unter "Ayus" aber die Lebensspanne, die einem Menschen zur Verfügung steht. "Veda" entspricht eher dem Begriff "Offenbarung", also einem Wissen, das ewige Gültigkeit besitzt. So sorgt die westliche Übersetzung für so manche Missverständnisse: Es geht eigentlich nicht darum, möglichst lange jung zu bleiben, sondern in jeder Lebensphase ein angemessenes Leben zu führen. Denn nach Ayurveda stellt jeder Lebensabschnitt eine andere Aufgabe dar.
Da viele Formen und Interpretationen dieser indischen Gesundheitslehre nebeneinander existieren, handelt es sich um ein schwer überschaubares medizinisches System, denn in Indien werden 220 Sprachen gesprochen und mehr als 300 Millionen Götter verehrt. Wenn wir in die "ayurvedische" Geschichte blicken, die vor mehr als 7000 Jahren mit dem Hinduismus begonnen hat, entdecken wir das älteste medizinische System der Welt. So finden sich besonders hinduistische Ursprünge und Vorstellungen in dieser traditionellen Medizin wieder.
Auf der anderen Seite wurde die traditionelle chinesische Medizin wiederum von der ayurvedischen Lehre inspiriert, und so bestehen viele Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Gesundheitssystemen. Die "Vedas", die heiligen Schriften der Hinduisten, und die "Samhitas", Texte, welche Gesundheitsvorsorge und medizinische Prozeduren wie Chirurgie oder Akupressur beschreiben, gelten als Urquellen des Ayurveda. Diesen Schriften zufolge gab es vor Jahrtausenden Kulturen im Himalayagebiet, in denen die Menschen erstaunlicherweise so gesund waren, dass ihnen der Begriff "Krankheit" fremd war. Doch als sie dann in Städte zogen, traten erste gesundheitliche Probleme in Erscheinung. Daraufhin zogen sich fünfzig weise Seher, im Indischen "Maharishis" genannt, zu einer tiefen Meditation zurück, um zu ergründen, wie eine Gesellschaft auch ohne Krankheit existieren könne. Auf diesem Weg erforschten sie gleichermaßen Naturgesetze und Strukturen des Kosmos wie Körper und Geist des Menschen. Sie entwickelten ganzheitliche Therapieverfahren, um so jeden Menschen mit seinen persönlichen Eigenschaften und Besonderheiten auf individuelle Weise zu behandeln.
Philosophie
Ayurveda ist auf der Elementenlehre begründet. Demnach besteht das Universum genau wie auch der menschliche Körper aus fünf fundamentalen Elementen. Dazu zählen Äther ("Himmelsbaustein"), Luft, Feuer, Wasser und Erde. Diese Elemente finden ihre Entsprechung in den fünf Sinnen des Menschen. Das menschliche Sein wird als Mikrokosmos im Universum gesehen. Nach ayurvedischer Lehre wird nun jedem einzelnen Menschen eine bestimmte körperliche und seelische Verfassung oder Konstitution zugeordnet.
Übrigens bedeuten Körper und Geist im Ayurveda ein und dasselbe. Demnach bewirkt jede körperliche auch eine geistige Veränderung. Die fünf Elemente verdichten sich nach ayurvedischer Vorstellung zu drei dynamischen Lebensenergien oder Temperamenten.
Diese Lebenskräfte werden "Doshas" genannt (dieser Begriff, wie übrigens auch die folgenden, stammt aus dem Sanskrit, dessen Übersetzung sich meist äußerst schwierig gestaltet). Die drei "Doshas" kommen in jedem Organismus vor und sind aus je zwei grundlegenden Elementen zusammengesetzt. Die Elemente Äther und Luft manifestieren sich im Körper als Luftprinzip "Vata", welches die Bewegungen und das Nervensystem kontrolliert und die Atmung steuert (dieses Prinzip heißt im Sanskrit "Vata Dosha"). Aus den Elementen Feuer und Wasser tritt das Feuerprinzip "Pitta" in Erscheinung. "Pitta", die Kraft der Hitze und Energie, ist mit der Sonne verbunden und kontrolliert alle bio-logischen Prozesse wie Metabolismus und Verdauung. Die Elemente Erde und Wasser finden sich als Körperflüssigkeit zusammen und werden "Kapha" genannt. Die Kraft des Wassers und der Gezeiten wird vom Mond beeinflusst und wirkt stabilisierend. Der Einfluss der "Doshas" ändert sich zwar im Lauf des Lebens, doch meist dominieren in jedem Menschen ein oder zwei "Doshas" (in einschlägiger Fachliteratur, Gesundheitsmagazinen oder Internet finden sich übrigens verschiedenste Tests zur Einschätzung des vorherrschenden Konstitutionstyps).
Befinden sich die Lebenskräfte in einem harmonischen Gleichgewicht, herrscht Gesundheit vor. Wenn ein "Dosha" umgekehrt aus dem Gleichgewicht geraten ist, entstehen Krankheiten. Meist wird die Balance durch ein Übermaß einer bestimmten Aktivität, Emotion oder eines bestimmten Nahrungsmittels gestört und auf diesem Weg ein Krankheitsprozess ausgelöst. Deshalb wird laut Ayurveda vorbeugend eine Untersuchung des Körpers, eine sogenannte Diagnose durchgeführt. Diese besteht unter anderem aus Puls-, Zungen-, Augen- oder Nageldiagnose.
Verschiedenste Therapieformen sollen den Körper anregen, sich selbst zu helfen. Eine beliebte Anwendung stellt die ayurvedische Heißwasser-Trinkkur dar, welche bei vielen verschiedenen Beschwerdebildern erfolgreich eingesetzt wird. Dabei wird über den Tag verteilt zirka ein halber Liter heißes, abgekochtes Wasser getrunken - eine hervorragende Entschlackungskur für den Frühling!
Andere Behandlungen sind spezielle Ölmassagen oder das fünf-
teilige "Panchakarma", ein traditionelles Reinigungs- und Entschlackungsprogramm. Der Stirnölguss ("Shirodhara") wird bei chronischen Kopfschmerzen, Gesichtslähmung, halbseitiger Lähmung, Schlaflosigkeit und Depressionen angewendet, wohingegen bei niedrigem Blutdruck, schwachem Kreislauf und während der Menstruation davon abgesehen werden muss. Weil er blutdrucksenkend wirkt, ist unmittelbar davor eine kräftige, kreislauffördernde Ganzkörper-Massage ("Abhyanga") anzuraten.
Eine bedeutende Maßnahme zur Erhaltung der Gesundheit ist nach ayurvedischer Ansicht das Praktizieren von Yoga (beide Wissenschaften sind eng miteinander verwandt.) Die Yoga-Übungen helfen, den Hormonhaushalt zu regulieren und stressbedingten Störungen entgegenzuwirken.
Die Ernährungslehre
e gesunde Ernährungsweise gilt als grundlegend für die Erhaltung der Gesundheit. Jede Nahrung wird als Information für die "Doshas" angesehen. Durch Verdauungsprobleme können Rückstände ("Mala") oder Giftstoffe ("Ama") im Körper bleiben. Die Ernährung sollte auf die individuelle Konstitution abgestimmt werden, es gibt jedoch allgemeine Richtlinien:
Nur in entspannter Stimmung essen
Nur bei Hunger essen
Frische Nahrungsmittel wählen
Abgekochtes, warmes Wasser und Kräutertee trinken
Warme Speisen bevorzugen
In jeder Speise alle fünf
Geschmacksrichtungen
einbringen
Sich nicht ganz satt essen
Mittags die Hauptmahlzeit
einnehmen
Zwischenmahlzeiten
vermeiden
Zwischen den einzelnen Mahl-
zeiten Pausen von mindestens drei Stunden einhalten.
Grundsätzlich werden Nahrungsmittel in drei Klassen oder "Gunas" (=Eigenschaften) unterteilt:
1. Sattva-Guna: Nahrungsmittel wie Getreide, Honig, Milchprodukte, Obst oder Gemüse sollen die Lebensdauer verlängern. Sie schmecken süß, leicht, ölig und kühlen den Organismus. Sattvische Nahrunsmittel sind besonders empfehlenswert.
2. Rajo-Guna: Zu scharfe, bittere, sauere, salzige, heiße oder trockene Nahrungsmittel wie Gewürze, Kaffee, Chili, Zwiebel oder Knoblauch verursachen Überstimulation, Aggression und Ungeduld.
3. Tamo-Guna: Geflügel, Fleisch, Fisch oder Eier entziehen durch schwere Verdaubarkeit Energie, fördern Krankheit und verkürzen laut Ayurveda die Lebensdauer.
Wer darf eigentlich ayurvedische Behandlungen durchführen?
In den meisten Ländern der Welt sind der Begriff sowie auch die Berufsbezeichnung in Verbindung mit dem Begriff Ayurveda ungeschützt. Dadurch wird es praktisch jedem ermöglicht, dieses indische Heilsystem ohne besondere Auflagen auch an anderen Menschen anzuwenden. Zwar bieten in Europa zahlreiche Institutionen fundierte Ausbildungen an, doch nur in Indien und Sri Lanka gibt es für ausgebildete Schulmediziner die Möglichkeit eines zusätzlichen fünfjährigen Studiums, um sich anschließend "Doctor of Ayurveda" nennen zu dürfen. Die "älteste Medizin der Welt" hat mit all ihren Erfahrungen und Lebensweisheiten bis heute Bestand. Die ganzheitliche Sichtweise sollte auch bei manchen Schulmedizinern mehr Beachtung finden. Wie modern die ayurvedische Auffassung von "Gesundheit" ist, zeigt folgender Vergleich: Sushruta Samhita schrieb vor ungefähr 5000 Jahren: "Gesund ist ein Mensch, dessen Physiologie im Gleichgewicht ist, dessen Verdauung und Stoffwechsel gut arbeiten, dessen Gewebe- und Ausscheidungsfunktion normal sind und dessen Seele, Geist und Sinne sich im Zustand dauerhaften inneren Glücks befinden."
Die aktuelle Auffassung der Weltgesundheitsorganisation: "Gesundheit ist der Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Behinderung."
Sind diese Formulierungen einander nicht erstaunlich ähnlich?
http://www.ayurveda.at
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