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Aznar will mit EU-Aktion punkten · Schweizer Sorge um Referendum

Von Hermine Schreiberhuber

Politik

Seit die Strafaktion der EU-14 gegen Österreich in Kraft trat, ist Spanien das erste Mitgliedsland der Union, in dem ein neues Parlament gewählt wurde. Der Fall Österreich spielte indirekt eine | prägende Rolle. Spaniens Premier Jose Maria Aznar, der seine Volkspartei aus der rechten Ecke herausgeführt hatte, nahm sich mit Eifer der "Chefsache" an, um größtmögliche Ferne von rechts auch in | der Heimat zu demonstrieren.


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Die Schatten der Causa werden in die Wahlen und Referenden der nächsten Jahre im EU-Raum und seiner Nachbarschaft hineinreichen. Ob als Abwehr rechtsextremer Kräfte begrüßt oder aus Furcht vor

Einmischung von außen abgelehnt, das Österreich-Gespenst wird in Europa niemand so schnell los.

Wahldruck als Triebfeder

Die konservative Volkspartei (PP) Aznars, die aus einer faschistischen Partei hervorging, musste am Sonntag die Früchte ihrer Regierungsarbeit gegen das sozialistisch-kommunistische Wahlbündnis

verteidigen. Der Wahldruck war auch eine Triebfeder ihrer Härte gegenüber der FPÖ-Regierungsbeteiligung. Aznar war vom ersten Tag an ein treuer Verbündeter des französischen Präsidenten Jacques

Chirac. In der EVP machte er vor einem Zerwürfnis mit der Schwesterpartei ÖVP nicht Halt.

Aus Angst, Spanien könnte wegen der Menschenjagd im andalusischen El Ejido im Ausland fremdenfeindlicher dastehen als "Haider-Österreich", wurde sogar eine Debatte im staatlichen Fernsehen zur Sache

kurzfristig abgesagt.

Schon in Finnland, wo kurz nach dem "Schwarzen Montag" der Verkündigung der EU-Sanktionen die Entscheidung über den neuen Präsidenten fiel, kam unmittelbar vor der Stichwahl das Thema Österreich aufs

Tapet.

In Italien werfen die Regional- und Teilkommunalwahlen vom 16. April ihre Schatten voraus, die einen wichtigen Test für die Positionierung der Mitte-Links-Koalition und der rechten Opposition

darstellen. Sollte dieser Urnengang eine starke Kräfteverschiebung nach rechts ergeben, was nicht unwahrscheinlich ist, könnte die Regierung in Rom unter Druck geraten, die für 2001 geplanten

Parlamentswahlen auf den Herbst vorzuziehen.

Angst vor Berlusconi?

Ob das strenge EU-Auge auch dann noch milde blicken würde, wenn mit Silvio Berlusconis Bündnis auch die rechte Nationalallianz ans Ruder käme, ist offen.

Bei den unmittelbaren Nachbarn, wie Bayern und der Schweiz, sowie im benachbarten Osten und in Skandinavien stoßen die EU-Sanktionen mehr auf Unverständnis und Zurückhaltung als in anderen Breiten.

In der Schweiz werden am 21. Mai die bilateralen Verträge mit der EU dem Volk zur Abstimmung vorgelegt. Die mehrheitlich bürgerlichen Parteien machen sich Sorgen, ob die mühsam ausgehandelten

Abkommen auf Zustimmung stoßen, mit dem Exempel vor Augen, das an dem kleinen Österreich statuiert wurde. Die Berner Regierung betont, die Schweiz brauche das Vertragswerk zur Stärkung seiner

Wirtschaft, es sei aber kein erster Schritt hin zu einem EU-Beitritt.

Athen: Wahl am 9. April

In Griechenland wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Dort gehen die Uhren anders, von Österreich ist kaum die Rede, das beherrschende Thema ist das wirtschaftliche Anliegen einer

Teilnahme an der Währungsunion.

Anders verhält es sich im hohen Norden, wo in Schweden und Dänemark ebenfalls Entscheidungen über einen Beitritt zur Währungsunion anstehen, und wo in Norwegen möglicherweise ein neuer Anlauf für

eine EU-Abstimmung genommen wird. Die Causa Austria hat bereits deutlich Wirkung gezeigt, seit die Regierungschefs in Kopenhagen, Stockholm und Helsinki für ihre politischen Alleingänge in Sachen

Österreich ihren Parlamenten Rede und Antwort stehen mussten.

Schwedens Ministerpräsident Göran Persson gab offen zu, dass die Entwicklung in Österreich für die Euro-Debatte "nicht hilfreich" war. An diesem Wochenende beschlossen die Sozialisten, welche die

Minderheitsregierung stellen, dennoch, die Weichen auf Euro-Linie zu stellen.

Auch im ohnehin euro-skeptischen Dänemark schmolz zuletzt wegen der EU-Sanktionen gegen Österreich der Vorsprung der Euro-Befürworter. Die rechtspopulistische Volkspartei unter Führung von Pia

Kjärsgaard, einer klaren Euro-Gegnerin, liegt in Umfragen bereits bei 15 Prozent. Eine Abwahl der sozialdemokratischen Minderheitsregierung gilt als sehr wahrscheinlich.

Exerzierfeld Österreich

In Frankreich wird 2002 ein Präsident gewählt, und voraussichtlich werden sich dann der konservative Staatspräsident Jacques Chirac und der sozialistische Premier Lionel Jospin "duellieren". Trotz

der Beteuerungen, während der EU-Präsidentschaft ab Juli 2000 mit einer Stimme sprechen, dürften die beiden Spitzenpolitiker diese einmalige Chance zur persönlichen Profilierung wohl kaum ungenützt

verstreichen lassen. Der Fall Österreich als Exerzierfeld bietet sich an. Seinen eigenen Parteifreunden, die mit der Front National auf regionaler Basis paktieren wollten, zeigte Chirac schon vor

Jahren den Herrn.