Beute beträgt im Schnitt 25.000 Euro. | Die Polizei hat oft keine Chance. | Auch Frauen treten als Räuber auf. | Wien. Der 50-jährige Tscheche Petr K. ist ein ausgewiesener Kenner der österreichischen Bankenlandschaft: Innerhalb von drei Jahren hat er in Wien und Umgebung 13 Filialen überfallen, wobei seine Vorliebe primär den Raiffeisenkassen und den Volksbanken galt. Dank seines überzeugenden Auftretens und einer echt aussehenden Gaspistole brachte er es im Laufe der Zeit auf weit mehr als 100.000 Euro Beute, die er allerdings großteils in diversen Casinos verspielte. Im März wurde der Hauptdarsteller der wohl größten aufgeklärten Raubserie verhaftet.
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Ein gebürtiger Chinese mit holländischen Pass wiederum, der in einem China-Restaurant am Herd gestanden war, hat es in der spärlichen Freizeit auf drei Banküberfälle gebracht, wobei seine Motivation Bände spricht: "In Österreich geht das so leicht.. ."
Der Eindruck, dass Bankräuber durchwegs Ausländer und Männer sind, ist indes unrichtig: Zum einen versuchen auch gebürtige Inländer unentwegt auf diese Weise ihr Glück.
Zum anderen betätigen sich in jüngster Zeit verstärkt weibliche Räuber in diesem Metier, darunter eine 55-jährige Kranken-schwester, die auf Grund ihrer prekären finanziellen Lage im Mai in einer Salzburger Raiffeisenbank mit ungeladener Schreckschusspistole und Regenschirm einen starken Auftritt hatte. Dieser endete drei Stunden, nachdem sie diverse Euro-Banknoten in einem Plastik-Müllsack verstaut hatte, dank der Sonderleistung eines Fährtenhundes der Polizei mit ihrer Verhaftung.
So kurios die Spezies Bankräuber im Einzelfall anmuten mag - einst hatte sich ein burgenländischer Abenteurer als Frau verkleidet, jedoch vergessen, seinen Vollbart abzurasieren -, so sehr wird sie für Polizei und die Banken zum Problem. Das Böse ist nämlich immer und überall: Im vergangenen Jahr wurde in Österreich mit 136 Banküberfällen ein neuer Rekord verzeichnet.
2006 hatte es 127 derartige Delikte gegeben, 2005 bekamen heimische Geldinstitute 111 Mal unliebsamen Besuch - ein klarer Aufwärtstrend also, der heuer in einen neuen Rekord münden könnte.
Hinweise: Kammer zahlt manchmal Belohnung
Wien liegt, statistisch betrachtet, mit zuletzt 76 Fällen klar an der Spitze - und auch im internationalen Vergleich ganz vorne: In keiner vergleichbaren europäischen Hauptstadt gibt es mehr Banküberfälle.
Auf Position zwei der nationalen Wertung folgt Niederösterreich, wo immerhin 30 Räuber in Aktion getreten sind. Und auf Platz drei rangiert Kärnten, wo sich 12 Ganoven auf die gschwinde Tour am Bankschalter bereichern wollten.
Am sichersten dürfen sich Bankangestellte in Vorarlberg, im Burgenland und in Salzburg fühlen, wo solche Vorkommnisse nur alle heiligen Zeiten stattfinden und in der Regel eher glimpflich verlaufen: Im heurigen März tauchte ein weder bewaffneter noch vermummter Mann in einem Salzburger Geldinstitut auf, um nach der etwas anderen Art Geld abzuheben. Er bediente sich im Do-it-yourself-Verfahren an einer Geldlade und raffte Scheine an sich. Als ihn das Personal zur Rede stellte, teilte er den Herrschaften in gebrochenem Englisch mit, dass sie ihn in Ruhe lassen möchten, weil er sie ansonst umbringen müsse.
Ebenfalls in Salzburg, genauer gesagt in Bergheim, wurde die Raiffeisenbank Kasern-Lengfelden in ihrer 22-jährigen Geschichte ganze fünf Mal zum Ziel einschlägiger Räuber. Irgendwann wurde das den Bankmanagern zu blöd und sie sperrten das wenige hundert Meter von der Autobahn-Auffahrt Salzburg-Nord entfernt gelegene Institut einfach für immer zu.
Trotzdem: Die Statistik (siehe Tabelle) bereitet nicht bloß dem Innenministerium Kopfzerbrechen - schließlich kann die Polizei nicht einmal jeden zweiten Bankraub aufklären -, sondern ist auch in den Chefetagen der Bankzentralen ein unbeliebtes Thema. So manche Banker kritisieren die relativ magere Aufklärungsrate - im Vorjahr landesweit exakt 44 Prozent, heuer in Wien 39,4 Prozent.
Die Exekutive kontert gerne mit dem Vorwurf, dass in vielen Filialen zu wenig für die Sicherheit getan werde und Überwachungskameras nicht auf dem neuesten technischen Stand wären.
Die Bundespolizeidirektion Wien etwa offeriert den Geldinstituten Unterstützung, damit diese technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern ergreifen. Im Sinne einer besseren Zusammenarbeit haben die Wiener Banken ihre Standesvertretung, die Wirtschaftskammer Wien (WKW), im vergangenen Herbst bewogen, bei Banküberfällen Belohnungen zwischen 2000 und 8000 Euro springen zu lassen, um den Fahndungsdruck zu intensivieren und Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, honorieren zu können. In Absprache mit der Polizei ist das mittlerweile bereits sechs Mal geschehen.
WKW-Präsidentin Brigitte Jank betont, dass "Wirtschaft und Polizei an einem Strang ziehen müssen". Georg Kraft-Kinz, Vorstandsdirektor der Raiffeisen Landesbank NÖ/Wien, ist optimistisch, dass die neue Sicherheitsoffensive allen etwas bringen könnte. In bislang drei Gipfelgesprächen zwischen Geldinstituten und Exekutive, an denen er und andere Bankvorstände teilnahmen, wurde jedenfalls die früher nicht gerade friktionsfreie Zusammenarbeit mit dem Polizeiapparat atmosphärisch verbessert.
"Wunder wirken können diese Prämien zwar nicht", sagt auch ein Sicherheitsbeauftragter einer Großbank, der anonym bleiben will, "aber die gemeinsamen Bemühungen und die enge Kooperation zwischen den Banken bringen schon einiges."
Obwohl Wiens Banken jährlich einen siebenstelligen Euro-Betrag in die Überwachung ihrer 650 Standorte investieren und etliche private Sicherheitsdienste einsetzen (was sich speziell in der Weihnachtszeit bewährt haben soll), hat sich die Lage nicht verbessert: Im ersten Halbjahr 2008 wurden allein in der Bundeshauptstadt 33 Überfälle auf Bank- oder Postfilialen verübt. Auch wenn Supermärkte mit 77 und Trafiken mit 51 Fällen noch häufiger betroffen waren, erfreuen sich Geldinstitute bei Gangstern nach wie vor großer Beliebtheit - wohl deshalb, weil bei ihnen vergleichsweise mehr zu holen ist.
Mit dem Revolver wird meist nur gedroht
Im Vorjahr belief sich der Gesamtschaden für Österreichs Banken auf 3,3 Millionen Euro - jedenfalls weniger als ein Jahr zuvor, als 4,5 Millionen Euro geklaut wurden. Das bedeutet, dass jeder Ganove im Schnitt 25.000 Euro erbeutete, was relativ bescheiden wirkt im Vergleich mit einem der erfolgreichsten einschlägigen Coups: Im November 1988 war es drei bewaffneten Tätern gelungen, bei einem Überfall auf eine CA-Filiale in der Wiener Innenstadt gleich fünf Millionen Schilling, also 363.364 Euro, zu entwenden. Die zehn Geiseln blieben gottlob unverletzt, wobei das in den allermeisten Fällen so ist.
Im vergangenen Jahr gingen insgesamt 50 Bankräuber bei der heiklen Mission völlig unbewaffnet, nur mit dem obligaten Strumpf übers Gesicht oder einem Pfefferspray in der Hosentasche, ans Werk. Zugleich waren österreichweit 151 Personen betroffen, exakt so viele wie 2006. Jedes zweite Opfer eines Banküberfalls hat die unliebsame Erfahrung, die sich hinter Delikten wie Freiheitsentzug, Körperverletzung, gefährliche Drohung oder Nötigung verbirgt, in der Bundeshauptstadt gemacht.
Das geraubte Geld wechselte laut Statistik 2007 in jedem zweiten Fall im Beisein einer Schusswaffe den Besitzer, wobei nur in einem einzigen Fall tatsächlich geschossen wurde.
Und bisweilen - etwa bei Günter B., der im Februar 2007 eine Bawag-Filiale in der Mariahilfer Straße überfiel und sechs Geiseln stundenlang in Angst und Schrecken versetzte - erweist sich dieser als täuschend echt aussehendes Kinderspielzeug. Günter B., der sogleich am Tatort überwältigt wurde, ist übrigens zu sechs Jahren Haft verurteilt worden und um keinen einzigen Euro reicher.
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